Im Tal der Sehnsucht
Konzerns zu übernehmen … mit Zustimmung des Vorstands. Das ist ein schwerer Schlag für Rupert, und euer Entschluss wird die Kluft zwischen ihm und Boyd noch vertiefen. Die ganze Familie wird darunter leiden. Rupert ist im Lauf der Jahre geradezu machtbesessen geworden. Er könnte mir schaden. Nicht, dass meine Existenz dadurch gefährdet wäre, mach dir darum keine Sorgen, aber Rupert ist nun mal der Dreh- und Angelpunkt … du könntest auch sagen, der wunde Punkt der Familie.“
„Glaubst du, er würde so weit gehen, dich hinauszudrängen?“, fragte Leona ängstlich.
„Ohne eine Sekunde zu zögern.“ Paul war davon überzeugt, doch die Vorstellung schien ihn nicht weiter zu beunruhigen. „Rupert hat kein Herz. Einerseits ist er ungeheuer stolz auf Boyd, und andererseits fürchtet er seine Konkurrenz. Er liebt die Macht um ihrer selbst willen … im Gegensatz zu seinem Sohn. Boyd ist ein ganz anderer Mensch. Alexa lebt in ihm weiter, sie war eine wunderbare Frau. Es war ein großer Fehler von ihr, Rupert zu heiraten, aber natürlich hatte Ruperts Vater dabei die Hand im Spiel. Großer Reichtum ist nicht erstrebenswert, mein Kind. Er macht nicht glücklich, sondern birgt hohe Risiken. Wenn du Boyd heiratest, wird sich dein Leben grundsätzlich ändern. Du bist meine Tochter. Ich liebe dich … und habe Angst um dich.“
Leona spürte, wie ernst ihr Vater es meinte. „Du brauchst keine Angst zu haben, Dad“, versicherte sie. „Ich weiß, dass ich Boyd bedingungslos vertrauen kann. Da ist noch etwas anderes, das ich dich fragen möchte. Hast du jemals den Eindruck gehabt, dass Rupert in Mum verliebt war?“
Paul sah sie überrascht an. „Wie, um alles in der Welt, kommst du auf diese Idee?“, fragte er verblüfft.
„Rupert sprach davon.“ Leona sah ihn bekümmert an. „Ich war genauso schockiert wie du, aber schließlich verbergen viele Menschen etwas. Bei Rupert war es die Neigung zu Mum, die er irgendwann nicht mehr kontrollieren konnte.“
„Mein Liebling.“ Paul legte Leona eine Hand auf die Schulter. „Falls der alte Schuft wirklich in deine Mutter verliebt war, hat er vergessen, uns das mitzuteilen. Ich habe nie etwas davon bemerkt, und Serena auch nicht. Sie liebte mich, warum, werde ich nie verstehen. Wir waren glücklich … deine Mutter, du und ich. Entweder lügt Rupert, oder er hat sich damals gut getarnt. Serena war ein Engel, Leona. Sie war der liebenswerteste Mensch, der mir je begegnet ist. Ich liebe sie immer noch, und der größte Teil von mir ist mit ihr gestorben.“
Leona nahm seine Hand. „Das weiß ich, Dad. Erinnere ich dich sehr an sie?“
Tränen traten in seine Augen. „Ich bin oft ungerecht zu dir gewesen“, gestand er, „bitte verzeih mir. Du hast recht. Du bist deiner Mutter so ähnlich, dass mein Schmerz manchmal unerträglich wird. Früher hätte man das Verzweiflung genannt.“
„Trotzdem hast du Delia geheiratet“, warf Leona ein.
„Ich hoffte, sie würde die Größe besitzen, dir eine gute Ersatzmutter zu sein. Leider habe ich sie überschätzt und Dinge in ihr gesehen, die nicht da waren. Das ist allein meine Schuld. Ich war damals nicht bei Sinnen. Dabei hätte mir ihr Verhalten ihrem eigenen Sohn gegenüber die Augen öffnen müssen. Roberto hat viel gelitten … unverdienterweise, genau wie du.“
„Leider stimmt das, doch das kann man ändern! Robbie will endlich Kontakt zu seinem Vater aufnehmen.“
„Dann werde ich ihn nach Kräften unterstützen. Vielleicht findet er all das heraus, was seine Mutter ihm so klug verschwiegen hat.“
Leona nickte. „Das sehe ich auch so.“ Nach einer Pause fügte sie hinzu: „Müsst ihr unbedingt zusammenbleiben?“
„Ich bringe es nicht über mich, Delia die Scheidung vorzuschlagen.“ Paul lächelte gequält.
„Vielleicht wäre das gut für sie. Du könntest endlich reinen Tisch machen.“
„Um dann ein gutes Gewissen zu haben? Das wäre äußerst hart für Delia.“
„Sie verdient es, einmal richtig aufgeschreckt zu werden.“
Paul dachte einen Moment nach. „Da bin ich deiner Meinung, aber im Moment geht es nicht um Delia und mich, sondern um dich und Boyd. Rupert kann gefährlich werden. Es macht ihm nichts aus, Menschen zu verletzen. Bei dir sollte er allerdings aufpassen, mein Liebling, sonst bekommt er doch noch, was er verdient.“
Mein Liebling! Leona war über die wiederholte zärtliche Anrede so gerührt, dass ihr fast die Tränen kamen.
11. KAPITEL
Leona eilte durch die
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