Im Tal der Sehnsucht
sich in den Falschen verliebt und darunter leidet. Die Liebe ist nun mal ein Geheimnis. Einigen wird sie geschenkt … anderen nicht. Es tut mir unendlich leid, dass du so viel Kummer erlebt hast.“
„Mein Leben – oder doch der größte Teil davon – war öde und leer“, gestand Rupert in einer plötzlichen Aufwallung.
„Daran bist du selbst schuld“, hielt Leona ihm tapfer entgegen. „Du warst so verbittert, dass du es versäumt hast, dich anderen Menschen zu öffnen. Das Schicksal hat dir einen großartigen Sohn geschenkt. Das allein schon ist eine unverdiente Gnade. Du könntest dich auf Enkelkinder freuen, stattdessen versinkst du in Kummer und Verzweiflung. Du hast es vorgezogen, auf der dunklen Seite zu leben.“
Er lachte gequält auf. „Willst du damit sagen, dass es für mich keine Erlösung gibt?“
Sie schüttelte den Kopf. „Durchaus nicht. Du kannst sie finden, wenn du es wirklich willst. Wir alle wünschen uns das für dich.“
Rupert sah ihr tief in die Augen, aber Leona wusste, dass es für ihn Serenas Augen waren. Sie selbst hatte für ihn nie existiert.
„Ich bin kein Heiliger“, erklärte er schroff.
„Nein“, gab sie zu. „Niemand ist das. Jeder versucht nur, sein Bestes zu geben.“
Das war das richtige Stichwort für Rupert. „Was könnte dich dazu bewegen, deine Verlobung rückgängig zu machen und fortzugehen?“, wollte er wissen. „Du könntest Boyd irgendeine rührselige Geschichte erzählen … zum Beispiel, dass du seinem Lebensstil nicht gewachsen bist. Er weiß, welche Anforderungen an seine Frau gestellt werden. Ich habe mir alles überlegt. Jeder Mensch will Geld. Ich bin bereit, dir viel zu geben.“
Leona spürte, wie sich alles Mitgefühl mit Rupert in nichts auflöste. „Würde ich als Boyds Ehefrau nicht ebenso viel bekommen?“, fragte sie so nüchtern, als wäre sie bei Jinty in die Lehre gegangen.
Sein Gesicht verriet, wie enttäuscht er war. „Heiratest du Boyd deshalb?“
„Natürlich“, antwortete sie kühl. Wie lange sie das durchhalten würde, wusste sie nicht.
Rupert setzte sich auf. „Was für eine großartige Schauspielerin du bist“, spottete er. „Also los … nenn eine Summe. So bald wird mich mein Sohn nicht ersetzen. Die nächsten fünfzehn oder zwanzig Jahre habe ich noch das Sagen. Ich werde vorsichtiger sein und besser auf mich achtgeben. Noch einmal … welche Summe würde dich glücklich machen?“
Leona hob ihre linke Hand und betrachtete den Smaragdring. „Wie viele Sterne hat die Milchstraße?“, fragte sie.
„Ich habe einmal gelesen, es wären ungefähr hundert Milliarden. Das entspricht etwa der Anzahl unserer Gehirnzellen, von denen du anscheinend einige Millionen verloren hast.“ Sie stand abrupt auf. „Leider hat Boyd recht. So unglaublich es auch scheint … du missgönnst ihm sein Glück. Du weißt, dass er mit mir glücklich wird, denn ich liebe ihn und habe ihn immer geliebt. Er ist meine erste, letzte und einzige Liebe.“
„Du gemeine Hexe!“, schrie Rupert und ließ sich zurückfallen.
Leona ging zur Tür. „Gute Nacht, Rupert.“ Damit war alles gesagt.
Die Nachricht von dem Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn verbreitete sich wie ein Lauffeuer. In den beiden Boutiquen, die Blanchard-Fashion in Sydney unterhielt, wurde geflüstert und spekuliert. Rupert Blanchard hatte stets als Buhmann gegolten, Boyd hingegen als Befreier, und er wurde entsprechend gefeiert. Dass er sich für Leona entschieden hatte, wurde überrascht, aber begeistert aufgenommen. Niemand hatte etwas von der Romanze bemerkt, denn alle, die davon wussten, waren äußerst verschwiegen gewesen.
Leona trug jetzt offen ihren Ring und wurde von allen Seiten beglückwünscht. Die meisten meinten es ehrlich.
Zwei Tage nach ihrer Rückkehr aus Neuseeland rief Chloe Compton bei Leona an und fragte, ob sie sich in einem Café treffen könnten. Leonas erster Impuls war, einfach aufzulegen. Sie wollte Chloe nicht unbedingt begegnen, zumal sie von ihr keine Glückwünsche erwarten konnte. Chloe würde nur von ihrem gebrochenen Herzen sprechen, und alles würde in Trübsal enden. Darum entschuldigte sie sich damit, dass sie in den nächsten Wochen absolut keine Zeit hätte.
„Vielleicht könnte ich nach Feierabend in deine Wohnung kommen“, schlug Chloe vor. „Ich bleibe bestimmt nicht lange.“
„Du weißt, wo ich wohne?“, fragte Leona verblüfft. Als Mitglied der Blanchard-Familie achtete sie streng auf Anonymität und hielt
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