Im Tal der Sehnsucht
Rupert Blanchard spielt seine Tricks aus und würde sich wundern, wenn der Gegner nicht reagiert. Also los, Flower Face. Wir gehören zusammen.“
Jinty erwartete sie in einem bunt gemusterten knöchellangen Hauskleid. Ihr enttäuschter Gesichtsausdruck verriet deutlich, dass sie nur Boyd erwartet hatte.
„Gott sei Dank … da bist du!“, rief sie und umklammerte seinen Arm. „Ich bin halb verrückt vor Angst.“
Boyd betrachtete sie mit unbewegter Miene. „Ist Dad oben?“
„Ja, in seinem Schlafzimmer. Drew ist bei ihm.“
„Dann hielt er es nicht für notwendig, Dad ins Krankenhaus zu bringen?“
„Nun, er … wollte wohl noch abwarten.“
„Aus gutem Grund, nicht wahr?“ Boyd sah ihr direkt in die Augen. „Ich möchte nicht herzlos erscheinen, aber wir wissen beide, dass Dad uns nur unter Druck setzen will.“ Er wandte sich an Leona. „Komm, wir gehen gleich hinauf.“
„Leona sollte lieber bei mir bleiben“, riet Jinty. „Rupert war sehr erregt. Sein Zustand könnte sich verschlechtern.“
„Ja“, fand auch Leona. „Du solltest allein gehen und feststellen, wie es deinem Vater geht. Ich bleibe so lange bei Jinty.“
„Es geht ihm allemal gut genug, um meine Verlobte zu begrüßen“, sagte Boyd mit blitzenden Augen.
„Überzeug dich erst davon“, bat Leona. „Tu es mir zuliebe.“
Er zögerte, dann entspannte sich sein Gesicht. „Na gut“, gab er nach.
„Komm ins Wohnzimmer.“ Jinty fasste Leonas Arm und zog sie mit sich fort, während Boyd die Treppe hinaufstieg. „Du meine Güte … das ging wirklich schnell. Was für ein fantastischer Verlobungsring! Den muss ich mir genauer ansehen.“
Leona hätte das lieber vermieden. Jinty hatte ihr nie echte Sympathie gezeigt, darum streckte sie nur kurz die Hand aus.
„Unglaublich!“, staunte Jinty. „Der Smaragd hat …“
„… die Farbe meiner Augen“, vollendete Leona den Satz und nahm Jinty damit die Möglichkeit, die Karatzahl der Steine abzuschätzen.
„Darf ich ihn einmal anstecken?“ Jinty gab sich keine Mühe, ihre Gier nach teurem Schmuck zu verbergen.
Leona war schockiert. So äußerte sich also Jintys Sorge um ihren kranken Mann! „Er würde dir nicht passen“, sagte sie kühl und setzte sich hin. „Würdest du mir bitte mehr über Ruperts Zustand erzählen? Du hast ja neulich schon angedeutet, dass er nicht gut genug auf sich aufpasst.“
Jinty sah sie kalt an. „Das stimmt, aber du solltest eigentlich besser wissen, worum es hier geht. Rupert ist strikt gegen eure Verlobung, und als seine Frau stehe ich natürlich auf seiner Seite. Zumindest muss ich mich neutral verhalten.“
„Dann hast du deine Meinung geändert?“ Leona blieb erstaunlich ruhig. „Soviel ich weiß, fiel es dir sonst nicht schwer, dich gegen Rupert zu stellen. Ich möchte nicht unfreundlich sein, aber diese ganze Sache geht dich nichts an. Auch Rupert mischt sich mehr ein, als Boyd dulden kann. Ihm vorzuschreiben, wen er heiraten soll … also wirklich! Boyd hat sich für mich entschieden, mehr gibt es nicht zu sagen. Es wäre gut für uns alle, wenn du deinen gesunden Menschenverstand einsetzen und diese Tatsache akzeptieren würdest. Da fällt mir ein … ich hatte heute eine kurze Begegnung mit deiner Schwester. Sie sollte unbedingt einen Psychiater aufsuchen. Das ist heutzutage der letzte Schrei.“
Auf Jintys Gesicht spiegelten sich Schreck und Wut. „Ich habe ihr ausdrücklich befohlen, sich aus der Sache herauszuhalten.“
„Tonya hört nicht auf Befehle. Sie hat ihren eigenen Kopf. Kennst du übrigens den Maulwurf in der Familie? Es muss einen geben.“
Jetzt wurde Jintys Blick richtig feindselig. „Ich habe keine Ahnung, was du meinst“, heuchelte sie im Brustton der Überzeugung.
„Ich spreche von dem, der Familiengeheimnisse weitergegeben hat“, erklärte Leona. „Das soll kein persönlicher Vorwurf sein, aber irgendjemand ist darauf aus, alte Gespenster wachzurufen.“
Jintys blassblaue Augen leuchteten auf.
„Hast du einen Verdacht?“
„Warum willst du das wissen?“
„Ich will denjenigen daran hindern, noch mehr auszuplaudern.“ Leona fasste einen Entschluss. „Es ist besser, wenn ich das tue … statt Boyd. Ich weiß, du magst ihn. Wer sollte es dir übel nehmen? Die ganze Sache ist nicht leicht für dich, aber auch du solltest mich nicht unterschätzen.“
„Nein“, gab Jinty zu. „Das habe ich auch nie getan. Du bist jung, aber hochintelligent und meist sehr nett. Der Maulwurf, von dem
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