Im Tal der Sehnsucht
sogar ihre Telefonnummer geheim.
„Natürlich“, antwortete Chloe etwas spitz. „Boyd hat mir die Wohnung gezeigt, als wir eines Abends daran vorbeifuhren. Wenn ich mich recht erinnere, sagte er: ‚Da wohnt meine kleine Cousine.‘“
Das bezweifelte Leona. Ihre Wohnung lag viel zu abseits, als dass man daran „vorbeifahren“ konnte. Außerdem respektierte Boyd ihren Wunsch nach Anonymität.
„Vielleicht täuscht dich die Erinnerung“, meinte sie ungeduldig. „Boyd hat mich nie seine ‚kleine Cousine‘ genannt … nicht mal, als ich wirklich klein war. Kannst du mir nicht am Telefon sagen, worum es geht? Es tut mir aufrichtig leid, wenn du Boyds Gefühle für dich falsch verstanden hast. Das steht jetzt zwischen uns, aber wir könnten später Freundinnen werden.“
Chloe legte schweigend den Hörer auf.
Am nächsten Nachmittag rief Boyd an. Er war geschäftlich in Melbourne gewesen und wollte Leona sofort sehen. „Ich hole dich zum Dinner ab“, sagte er. „Warte auf mich in deiner Wohnung.“
Wie jedes Mal war Leona von seinem Anblick gefangen, aber sie spürte auch, dass eine Auseinandersetzung in der Luft lag.
„Stimmt etwas nicht?“, fragte sie und sah ihn unsicher an. Er hatte sie zur Begrüßung nicht geküsst, das verhieß Schlimmes.
„Warum hast du mir verschwiegen, dass Dad dir Geld angeboten hat, damit du unsere Verlobung löst und verschwindest?“
Leona fand keine Worte.
„Na?“
Ja, sie hatte ihm das Gespräch am Krankenbett verschwiegen. Es hätte ein noch schlechteres Licht auf Rupert geworfen, und sie wollte Boyd weiteren Ärger ersparen. Das erwies sich jetzt als taktischer Fehler, und Taktik bedeutete den Blanchards alles.
„Also stimmt es.“ Boyd legte den Arm um sie. „Was war sein letztes Angebot?“
Sie sah ihn mit funkelnden Augen an. „Hat Rupert dir die Summe nicht genannt?“
„Er sprach von zehn Millionen.“
Leona lachte auf und stieß ihn heftig zurück. „So wenig? Du bist bedeutend mehr wert.“
Boyd versuchte mühsam, sich zu beherrschen. Er hatte anstrengende Verhandlungen hinter sich und war zum Umfallen erschöpft. „Warum hast du mir nichts erzählt? Warum vertraust du mir nicht? Was muss ich noch tun, damit du mich liebst?“
Leona drehte sich so schnell um, dass ihr der meergrüne Rock um die Beine wirbelte. „Ich liebe dich“, beteuerte sie inbrünstig, „aber ihr Blanchards macht es einem nicht leicht. Dafür seid ihr sogar berühmt. Man sollte Warnschilder aufstellen: ‚Vorsicht! Meidet diese Familie!‘ Du willst wissen, was los ist? Ich wollte es dir ersparen, aber gut … meinetwegen. Dein grausamer Vater hat versucht, mich mit Geld zu kaufen. Ich habe nichts gesagt, weil es zu demütigend für ihn ist. Man könnte glauben – und manche glauben es bereits –, dass hier ein Duell zwischen Vater und Sohn ausgefochten wird, bei dem ich der Preis bin.“
Seufzend setzte sich Boyd in einen Sessel. „Ich fürchte, da ist etwas dran. Dad und ich kämpfen gegeneinander, das ist nicht meine Schuld. Ich war immer damit zufrieden, eines Tages sein Nachfolger zu werden. Es geht hier weder um mich noch um dich, Leo. Es geht nur um Dad und darum, wie er sein Leben vertan hat.“
„Also Kampf bis aufs Messer?“ Leona atmete schnell und tief, als fehle es im Zimmer an Sauerstoff.
„Ich gebe dich nicht auf … nicht für Dad oder alle Blanchards zusammen. Bleibt es beim Dinner, oder gehen wir lieber gleich ins Bett?“
Der zynische Ton gab ihr den Rest. Sie zog die Klemmen aus ihrem Haar und schüttelte es wie eine Mähne. „Weder das eine noch das andere“, erklärte sie heftig. „Ich habe keine Lust, mit dir ins Bett zu gehen. Dies alles hat mit Sex nichts mehr zu tun. Ich lasse mich nicht als Spielball missbrauchen, Boyd. Ich bin eine Frau!“
„Als ob ich das nicht wüsste.“ Er stand auf und kam näher. Nie war sein Verlangen nach ihr stärker gewesen.
„Wage nicht, mich zu küssen!“, drohte sie mit Tränen in den Augen. „Das hast du vorhin verpasst.“ Ihr Ton verriet, wie enttäuscht sie immer noch war.
Boyd legte beide Hände um ihr Gesicht. „Darum küsse ich dich jetzt.“ Er beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie mit einer Hingabe, die seine ganze Verzweiflung verriet. „Schlaf mit mir“, flüsterte er zwischendurch.
„Nein.“ Plötzlich kam alles darauf an, dass sie standhaft blieb. Sie unterdrückte ihre aufsteigende Erregung und fand sogar Befriedigung darin, ihm die Stirn zu bieten. Wenn es auch
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