Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)
Sohn seine Augen hat, weiß ich jedenfalls. Und wenn sein neuestes Werk El Manzanal heißt, aber weder pralle Kaffeefrüchte noch blühende Agaven, sondern ein glutäugiges Mädchen mit schwarzen Zöpfen zeigt, dann sagt mir das genug.«
»Das ist ja großartig!« Katharina bemühte sich, alle beklommenen Gedanken an Josefa und alle Sorgen um Miguel und ihren Mann zu verdrängen und sich für Augenblicke der Freude hinzugeben. »O Martina, ich finde, die zwei sind füreinander geschaffen – und bekommen sie nicht ein reizendes Gespann von Schwiegermüttern?«
»In der Tat«, bemerkte Martina. »Unsere zwei Turteltauben sind zu gut, um wahr zu sein, und sie bekommen die wildesten Schwiegermütter von ganz Mexico lindo. Was meinst du, Götterschwester, ist uns das noch einen goldenen Tequila wert?«
»Zwei, meine Temazcalteci, meine Göttin der heilenden Kräfte. Auf unsere prachtvollen Kinder – und wenn ich den zweiten getrunken habe, finde ich hoffentlich den Mut, dich zu fragen, was für Sorgen ich mir um Benito und Miguel machen muss.«
»Um Benito gar keine«, sagte Martina und gab diesmal den vollgeschenkten Becher Katharina zuerst. »Militärische Leiter, die den Gouverneuren auf die Finger sehen, setzt Diaz in allen Bundesstaaten ein, nicht nur in Querétaro. Ich gebe gern zu, dass Felipe Sanchez Torrija der schlimmste Schinder von allen ist, dass ich es hasse, seinen Pinkel von Sohn zum Nachbarn zu haben, und dass ich ebendiesen Sohn verdächtige, hinter der Verhaftung von Miguel zu stecken. Im Grunde aber sind diese Militärkommandanten überall gleich – Bleichgesichter mit manikürten Händen, die zu dem Land, das sie verwalten, keinerlei Verbindung haben. Diaz will damit die Selbstverwaltung der Staaten schwächen und mehr Macht auf sich selbst vereinen. Natürlich freut er sich über jeden Gouverneur, den er aus dem Amt drängen kann, aber er ist kein Dummkopf. Schon deshalb wird er sich hüten, sich in der Öffentlichkeit an einem Volkshelden wie Benito zu vergreifen.«
»Und im Verborgenen?« Katharina sog den Duft des Tequilas ein, um gegen die aufkommende Übelkeit zu kämpfen.
»Im Verborgenen mag er durchaus hoffen, ihn durch ständige Schläge auf das Rückgrat zu zermürben. Aber dein Liebster ist ihm zu zäh, und außerdem gibt es in der ganzen Regierung keinen Mann, der seine Familie so sehr liebt. Benito würde nichts tun, das euch gefährdet, und auch nichts, das ihn auf Dauer von euch trennt. Eher tritt er zurück.«
Katharina atmete auf. Die Wärme kehrte wieder, und aus der Grube stieg in dichten Schwaden der würzige Rauch der Barbacoa. Benito hatte es ihr geschworen. Sie hatte ihn angefleht, sie könne nicht noch einmal einen Mann ertragen, der für eine Sache starb, statt für sie und seine Kinder zu leben, sie hatte mit den Fäusten auf seine Brust eingetrommelt, und er hatte ihr geschworen, es könne niemals eine Sache geben, die ihm teurer wäre als ihr gemeinsames Leben. Weil sie ihn nicht umarmen konnte, schlang sie die Arme um ihre Knie. »Und was ist mit Miguel, Martina? Er sollte auch an seine Familie denken – seine Mutter hat nur den einen Sohn, und seine Frau erwartet sein Kind.«
Außerdem liebte Benito Miguel wie ein eigenes Kind. Der Junge hatte den Namen seines älteren Bruders erhalten, an dessen Tod er sich immer noch schuldig fühlte. Ebenso schuldig würde er sich fühlen, wenn Miguel, dem Jüngeren, etwas geschah.
Ohne Heiterkeit lachte Martina auf. »Wenn du mich fragst, ist Miguel kein Mann, von dem eine Frau sich ein Kind machen lassen sollte. Jedenfalls nicht, wenn sie Wert auf ihren Seelenfrieden legt. Er ist ein liebenswerter, begabter Bursche, aber er hat diese Art von Besessenheit an sich, die einen Mann zur Not in den Tod treibt – einerlei, wer seinen Kindern dann die Mäuler stopft und wer seine Witwe tröstet.«
»Zum Teufel, Martina, für ein paar unausgegorene Artikel kann ihm doch kein Todesurteil drohen!«
Martina trank Tequila und zuckte mit den Schultern. »Das wohl nicht. Aber die Deportation nach Yucatán durchaus. Inzwischen brauchen die Plantagenbesitzer für ihr Henequen und ihre Zuckerfelder so viele billige Arbeiter, dass sie sich um politische Häftlinge geradezu reißen. Und ob ich mich lieber von einem geübten Henker aufknüpfen oder von einem menschenverachtenden Geldsack in mörderischer Hitze zu Tode peitschen lassen möchte, weiß ich nicht.«
»Das ist nicht dein Ernst!«
Über den Rand des Bechers hinweg sah
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