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Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Lobato
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lernt, hilft.«
    Er nahm ihre Hand. »Ihr Mann hat ein übles Verbrechen begangen, und ich wünsche mir, dass er die Strafe dafür in aller Härte erleiden muss. Aber er ist kein übler Mensch. Wenn Sie es in sich haben, ihm zu verzeihen – glauben Sie nicht, Sie dürften es nicht tun.«
    »Ich danke Ihnen«, sagte Katharina. »Wären Sie bereit, mir zu sagen, wo Ihre Tochter lebt? Bitte glauben Sie, ich werde sie nicht behelligen und ich spreche ihr keine Schuld zu. Ich hoffe lediglich, meinen Mann dort zu finden.«
    Don Teofilo verschwand in einem Nebenzimmer und kehrte mit einer Karte zurück, auf der eine Adresse im Bezirk Guerrero notiert war. »Bitte behalten Sie sie für sich. Dolores wünscht eine Zeitlang völlige Ruhe, was in ihrer Lage wohl begreiflich ist.«
    Dolores. War das der Name, den Benito ihr ins Ohr flüsterte, wenn er sie nach der Liebe noch einmal in die Arme zog? Oder hatte er einen eigenen Namen, einen Liebesnamen in Nahuatl, für sie wie für Katharina? »Selbstverständlich«, sagte sie zu Don Teofilo und stand auf. »Ich bin Ihnen zu tiefstem Dank verpflichtet. Und ich wünsche Ihnen und Ihrer Tochter das Beste.«
    Der Tochter hätte sie gern die Cholera an den Hals gewünscht. Warum konnte sie es nicht drehen und wenden wie Felix und der »verführerischen Nymphe« die Schuld geben, warum musste Benito der Schuldige sein?
    »Doña Catalina«, sagte der Conde leise. »Nur eines noch. Ihr Mann hat gesagt, wenn wir es so wollten, könnte das Kind auf Ihrem Gut in Querétaro aufwachsen, und auf den ersten Blick schien mir das der einzig gangbare Weg zu sein. Ich kann mir vorstellen, was das von Ihnen verlangt hätte, und weiß das Angebot umso mehr zu schätzen. Aber wir werden es nicht annehmen. Dolores will, dass das Kind bei ihr bleibt, und ich … ich will es auch.«
    »Das Kind?«
    »Vidal«, sagte Don Teofilo und klang beinahe stolz. »Mein Enkelsohn.«
    Katharina taumelte und streckte den Arm aus, um sich an der Wand zu fangen, ehe sie stürzte. Das Kind. Vidal. Die Tochter des Conde hatte ein Kind von Benito. Einen Bruder von Katharinas eigenen Kindern. Und Benito hatte, ohne sie zu fragen, beschlossen, den Jungen auf El Manzanal, wo ihre Kinder groß geworden waren, aufzuziehen. Im Grunde ist es nur gerecht, dachte sie zynisch. Ich habe ihm Josefa angehängt, und nach all diesen Jahren zahlt er es mir heim.
    »Ist Ihnen nicht wohl, Señora?«
    Sie straffte den Rücken. »Bitte entschuldigen Sie. Es ist schon wieder vorbei.«
    Er verbeugte sich und küsste ihr die Hand. »Sie haben in Ihrem Leben viel Mut bewiesen, Doña Catalina. Und auch wenn Sie sich jetzt entwürdigt fühlen – ich habe selten eine so würdevolle Frau erlebt wie Sie.«
    Ihr fiel alles schwer, die Straße entlangtaumeln, einen Mietwagen anhalten. Jeder Schritt auf dem Pflaster, jedes Räderrollen bildete ein höhnisches Echo auf immer gleiche Silben: Benito hat einen Sohn. Benito hat mit Dolores de Vivero einen Sohn.
    Sie musste an ihren eigenen Sohn denken, an das Leuchten in Benitos Augen, als er sich über sie beugte und mit zitternden Fingern seinem neugeborenen Sohn über die Wange strich. An das Teleskop, das Benito seinem kleinen Jungen unter der Dachluke aufgestellt hatte, und an Vater und Sohn, die in der Nacht auf den Dachboden stiegen, um in die Sterne zu schauen. An die große Hand über der kleinen, die Vicente half, das Rohr auszurichten. Es war zu viel. Sie ließ die Tränen laufen und scherte sich nicht um die Blicke des Mietkutschers, als sie ihn bezahlte. Was konnte es ihr noch anhaben, was irgendein fremder Mann von ihr dachte?
    Die Wohnung lag im zweiten Stock einer Villa aus der Zeit der französischen Besatzung. Die Fassade hatte bessere Tage gesehen, doch die Halle war sauber, luftig und hell. Katharina stieg die ersten Stufen der gewundenen Treppe hinauf, als oben eine Tür schlug. Gleich darauf kam Benito ihr entgegen.
    Sein schwarzes Haar war noch immer nicht völlig weiß, sein Rücken noch immer gerade, seine Schultern straff, sein Rock wie angegossen und in seinen Hüften jene sehnige Beweglichkeit, wie um die steifen Kleider unwillig abzuschütteln. Sein Gesicht eine Liebeserklärung ans Leben. Und seine Augen, jedes Leuchten, jedes Lachen darin, eine Liebeserklärung an sie. Jedes Mal, wenn sie ihn länger als ein paar Tage nicht gesehen hatte, war ihr derselbe Gedanke durch den Kopf geschossen: Beneidet mich, aber ihr könnt ihn nicht haben. Dieser herrliche Mann ist mein.
    Sie

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