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Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Lobato
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würde es nie wieder denken.
    Er blieb stehen. »Katharina.«
    Sie blieb auch stehen. »Warum sagst du nicht Ichtaca zu mir? Ist das auf einmal nicht mehr genehm?«
    »Weil mir Josefa gesagt hat, ich soll in einer zivilisierten Sprache sprechen«, antwortete er. Dann sah er die Nässe auf ihren Wangen und eilte die restlichen Stufen hinunter, bis er vor ihr stand. So nah, dass sie nur die Hand hätte heben müssen, um seine Wange zu berühren. Um ihn zu schlagen oder zu streicheln. Aber keins von beidem half.
    »Ich konnte nicht zum Bahnhof kommen«, sagte er. »Porfirio wollte noch einmal über Miguel sprechen. Es liegt an mir, hat er gesagt. Entweder er schickt ihn nach Yucatán oder er lässt ihn gehen.«
    »Und er wusste, dass ich an diesem Abend komme?«
    Benito nickte.
    »Wie geht es Miguel?«
    »Er ist schwach und braucht Pflege. Aber die Ärzte sagen, wir können ihn morgen nach Hause holen.«
    »Und Tomás?«
    »Tomás ist bemerkenswert tapfer und im Augenblick keinen Schikanen ausgesetzt. Aber seine Lage sieht böse aus. Die Rurales haben in Querétaro etliche Zeugen aufgetrieben, die gehört haben, dass er Felipe Sanchez Torrija töten wollte.«
    »Ihm darf nichts geschehen!«
    »Nein«, sagte Benito mit kaum hörbarem Beben in der Stimme. »Wir erlauben nicht, dass ihm etwas geschieht.«
    Er ist kein Schwein, dachte Katharina, und ich werde nie ein Schwein in ihm sehen können. Sie wollte sich ein Herz fassen und das erste Wort hinter sich bringen, doch ihre Kehle verweigerte sich. Nur die Tränen strömten.
    »Ich liebe dich«, sagte er.
    In dem leeren Treppenhaus schienen die Worte von allen Wänden zu hallen. Sie wollte sie ihm verbieten, aber nicht einmal dazu besaß sie die Kraft. Sie wollte ihm sagen, dass sie ihm kein Wort glaubte, aber sie glaubte ihm. Ich liebe dich auch, Benito, und ich war immer stolz darauf, so klug gewählt zu haben. Warum zum Teufel hast du unserer Liebe das angetan?
    So, wie er es immer tat, wenn sie weinte, vergaß er, dass er ein Taschentuch in der Brusttasche trug, und hob die bloße Hand, um ihr die Tränen vom Gesicht zu streicheln. Dann verhielt er, und seine Augen fragten sie um Erlaubnis. Das Weinen wurde immer schlimmer, und ihr Nicken geriet völlig hilflos. Tränen wegstreicheln hatte keinen Sinn mehr. Er legte die Arme um sie und barg ihr nasses Gesicht an seiner Brust, wiegte sie, begrub sein Liebesflüstern in ihrem Haar. Irgendwann fand sie ihre Stimme wieder und sprach, ohne sich aus seinen Armen zu befreien, doch auch ohne ihn zu berühren. »Willst du mich verlassen, Benito?«
    Ihre Wange auf seiner Brust spürte die rasende Kraft, mit der sein Herz schlug.
    »Bitte verlass mich nicht«, sagte er.
    »Und wenn ich nicht damit leben kann?«
    Er war Anwalt, Politiker, ein brillanter Redner. Unter ihrer Wange zu spüren, wie er schluckte und um Worte rang, tat ihr beinahe weh.
    »Ich habe dein Vertrauen verspielt«, sagte er endlich. »Ich kann dich nicht bitten, mir noch etwas zu glauben.«
    »Doch«, erwiderte sie. »Doch, das kannst du, und du kannst mich auch bitten, dir zu verzeihen. Ich kann dir nur nichts versprechen.«
    »Bitte verzeih mir«, sagte er. »Und bitte glaub mir, dass ich mir keinen anderen Rat wusste. Ich habe mich so schwach gefühlt wie nie in meinem Leben. Was immer ich tat, es konnte nur das Falsche sein.«
    Willst du, dass ich dich bemitleide?, blitzte es in ihr auf und entfachte ihren Zorn. Aber das hatte er nie gewollt, er hatte bei keinem Menschen je um Mitleid gebuhlt. In dieser ganzen Misere musste es etwas geben, das sie nicht verstand. Wieder kamen ihr Tränen, und ihre Knie gaben nach. Seit wie vielen Stunden sie nicht mehr geschlafen hatte, wusste sie nicht zu zählen.
    »Komm mit nach oben«, sagte er. »Du musst dich hinsetzen.«
    Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern führte sie die Treppe hinauf. Mit jedem Schritt wurde ihr die Ungeheuerlichkeit ihrer Lage stärker bewusst. Völlig entkräftet hing sie in den Armen ihres Mannes und ließ sich in die Wohnung seiner Geliebten eher tragen als führen. Erst jetzt bemerkte sie die schwere Seide seines Rocks, die steife Hemdbrust und das Plastron. Er hatte zu irgendeiner Verpflichtung mit dem Präsidenten gehen wollen. Statt einen Schlüssel zu zücken, klopfte er an. »Meine Frau ist gekommen«, sagte er, als die Tür sich einen Spaltbreit öffnete.
    Die junge Frau zog die Tür weit auf. Sie trug ein loses weites Hauskleid, und das Haar fiel ihr offen auf die Schultern.

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