Im Taumel der Herzen - Roman
anlegen, dass man sich diese kühlenden Winde zunutze machen kann. Du solltest auch bedenken, dass du dich dann nie wieder mit dicken Wintersachen gegen die Kälte vermummen müsstest. Keine heißen Ziegelsteine mehr am Fußende des Bettes und auch keine tristen Brauntöne im Winter, nachdem der Großteil der Landschaft verwelkt ist. Stell dir Bäume vor, die niemals kahl werden, und Blumen, die das ganze Jahr über blühen. Es gibt nur ganze wenige Tage im Jahr, an denen ich vielleicht ein wenig jammere, weil kein Wind geht und die Hitze allzu drückend wird, aber das ist ein kleiner Preis für so viel Schönheit und eine solch üppige Vegetation, an der man sich immer erfreuen kann, egal, welcher Monat gerade ist.«
Drew, der jahrelang durch die Karibik gereist war, erwähnte auch die wirtschaftlichen Aspekte. Es gab dort viele Produkte, die nur in den Tropen zu finden waren – exotische Früchte, Rum, Zuckerrohr und Tabak. Spätestens jetzt bekam Julia richtig leuchtende Augen. Da ihr Vater genesen war und wieder die Firmenleitung in England übernommen hatte, sah sie für ihr Familienunternehmen ungeahnte Möglichkeiten in der Karibik: Sie könnte dort sogar neue Geschäftszweige gründen!
Ihr war nicht klar, dass sie laut dachte, bis Richard bemerkte: »Möchtest du die Millers jetzt zu Bauern machen?«
Seine Bemerkung war scherzhaft gedacht, doch Julia antwortete: »Wir sind seit jeher Bauern. Unsere Geschäfte basieren auf dem Land. Wir züchten Schafe und Kühe, bauen Weizen an und verarbeiten die Rohmaterialien dann in unseren eigenen Fabriken und Mühlen. Unsere Fachkräfte stellen daraus all die Produkte her, die anschließend in unsere eigenen Läden transportiert oder in größeren Mengen an andere Märkte verkauft werden. Das meiste von dem, was wir herstellen und verkaufen, stammt vom Land.«
»Mir war gar nicht klar, dass euer Familienunternehmen so breit gefächert ist«, stellte Richard überrascht fest.
»Und ob! Wenn etwas Gewinn verspricht, warum es nicht versuchen? Nach allem, was ihr mir erzählt habt, steckt in diesen Inseln großes Potenzial – vieles, was wir in England nie in Betracht gezogen haben, weil dort nicht das richtige Klima dafür herrscht.«
»Es gibt bereits etliche Anbieter, die diese Produkte vertreiben«, gestand Drew, der nicht wollte, dass Julia einen falschen Eindruck bekam.
»Und wenn schon?« Julia lachte. »Konkurrenz belebt das Geschäft, und es gibt immer wieder neue Märkte, die man sich erschließen kann. Außerdem machen wir Millers alles im großen Stil.«
Ihre Aufregung wirkte ansteckend, zumindest auf Drew, der plötzlich neue Kunden für die Handelsflotte witterte, die seiner Familie gehörte. Sie sprachen während des Desserts darüber. Irgendwann jedoch bemerkte Julia, dass Richard sich schon seit geraumer Zeit nicht mehr an der Unterhaltung beteiligte. Als sie zu ihm hinüberblickte, stellte sie fest, dass er sie verwundert anstarrte. Klang sie vielleicht zu geschäftsmäßig für seinen aristokratischen Geschmack?
Ihr stieg eine leichte Röte in die Wangen, wenn auch nur für einen Moment, denn plötzlich sagte Richard, einer spontanen Eingebung folgend: »Heirate mich!«
Julia blinzelte überrascht. »Wir sind doch schon verheiratet. «
»Heirate mich noch einmal – richtig!«
»Du willst mich heiraten?«
»Hattest du den Eindruck, ich würde dich wieder gehen lassen? «
Julia schnappte nach Luft. »Wolltest du deswegen keine Scheidung in England?«
Ihr war in diesem Moment gar nicht bewusst, dass sie ein Publikum hatten, das jedem ihrer Worte begierig lauschte. Übermannt von ihren Gefühlen, konnte sie noch immer nicht fassen, dass er sie tatsächlich heiraten wollte . Dabei vergaß sie völlig, dass sie nicht allein waren.
Richard aber rief sich diese Tatsache plötzlich auf einmal wieder ins Gedächtnis, packte Julia an der Hand und führte sie hinaus. Zurück blieben Richards Freunde, die sich alle lautstark darüber beschwerten, dass ihnen der Rest dieses faszinierenden Schauspiels vorenthalten bleiben sollte.
Sobald Richard Julias Kabinentür hinter ihnen zugezogen hatte, legte er sanft seine Hände an ihre Hüften und fragte zögernd: »Bist du wütend?«
»Das sollte ich wohl sein.«
Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Du bist es nicht.«
»Natürlich nicht. Ich dachte, es wäre ziemlich offensichtlich, dass ich auch keine Scheidung will.«
»Das war es ganz und gar nicht. Es bereitete dir doch solchen
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