Im Taumel der Herzen - Roman
Sicht nahm. Würde Richard sie denn nie bemerken? Schließlich entdeckte er sie doch, und ihre Blicke trafen sich. In seinen Augen lag dieselbe Intensität, die sie auch in ihren eigenen spürte, aber dann blies ihr der Wind erneut das Haar ins Gesicht! Als sie es dieses Mal zurückstrich, sah sie, dass Richard zum Deck hinabkletterte.
Julia wartete mit gesenktem Kopf, denn sie hielt es durchaus für möglich, dass er in eine andere Richtung davoneilen würde, weil er noch immer nicht mit ihr sprechen wollte. Dann aber tauchten seine Beine in ihrem Sichtfeld auf, und er holte etwas aus der Tasche. Als er seine Hände an ihre Schultern legte, schnappte Julia nach Luft, doch er drehte sie nur herum, umfasste mit beiden Händen ihr Haar und band es rasch zusammen.
»Danke«, sagte sie.
Sein entspannter Umgang mit ihr überraschte sie. Erwartungsvoll wandte sie sich zu ihm um, doch seine undurchdringliche Miene lieferte ihr keinen Hinweis, wie sie sich weiter verhalten sollte.
Vorsichtig begann sie: »Ich dachte, ich hätte dich mit deinem Freund lachen gehört. Fühlst du dich nun besser, nachdem du es geschafft hast, so schnell aus England wegzukommen? «
»Nein … noch nicht.«
Seine Antwort bewirkte, dass sie schlagartig einen Kloß im Hals spürte. Sie konnte es nicht ertragen, ihn immer noch von
seinen Dämonen gepeinigt zu sehen. Vielleicht würde es ihr gelingen, sie zu vertreiben.
»Es gibt etwas, das du wissen solltest, Richard«, fuhr sie fort. »Dein Vater hat nicht wirklich gewonnen. Er wird außer meiner Mitgift nichts bekommen.«
»Er hat trotzdem gewonnen«, widersprach Richard bitter. »Sein verdammter Vertrag ist erfüllt. Und er glaubt offenbar, dass sich daraus noch viel mehr ergeben wird.«
»Aber da irrt er sich! Milton kennt meinen Vater nicht. Er vergisst niemals ein Unrecht.«
»Das weiß ich inzwischen auch«, antwortete Richard mit einem leichten Lächeln. »Zumindest hat Gerald mir das versichert, als ich gestern Abend bei ihm war.«
Sie versuchte sich ihre Überraschung nicht anmerken zu lassen. »Du warst gestern Abend dort?« Ohne nach ihr zu fragen? Und warum hatte ihr Vater nichts davon erwähnt?!
»Ja, ich konnte England nicht verlassen, ohne ihm zu versprechen, dass er sich deinetwegen keine Sorgen zu machen braucht.«
»Das war sehr umsichtig von dir«, sagte sie gerührt, »und es hat funktioniert. Er war heute Morgen viel besserer Laune.«
»Das ist doch kein Grund zum Weinen!«, neckte Richard sie.
Julia wischte sich über die Augen. »Du bist wirklich lieb. Warum konntest du nicht schon so sein, als wir noch Kinder waren?«
»Du weißt, warum, aber du hast recht. Irgendwann hätte ich dir sagen sollen, warum ich schon damals gegen die Heirat war. Wir hätten keine Feinde werden müssten, nur weil es mich so erzürnte, dass mein Vater mich benutzte, um seine Taschen zu füllen – ohne mir dabei irgendein Mitspracherecht zu lassen.« Er berührte mit der Hand ihre Wange. »Wir brauchen darüber nicht mehr zu reden, Jewels. Ich werde wegen dieser ganzen Episode niemals ein besseres Gefühl bekommen,
also sollten wir versuchen, sie erst einmal hinter uns zu lassen. Ich möchte, dass du diese Reise genießt, so gut es geht.«
Sie konnte nicht fassen, dass er das tatsächlich gesagt hatte, noch dazu in so zärtlichem Ton. Plötzlich aber warf er einen Blick über ihre Schulter, zurück in Richtung England, und packte dann schnell ihre Hand.
»Lass mich dich sicher zurück in deine Kabine bringen, bevor dieser Sturm uns erreicht«, erklärte er und zog sie bereits hinter sich her.
»Welcher Sturm?«
»Der, der uns aus Richtung Kanal verfolgt. Drew hatte gehofft, wir könnten ihm entwischen, weshalb wir weitere Segel gehisst haben, aber nun ist er fast schon da.«
Als er mit ihr die Kabine betrat, blickte er sich um. »Die größeren Möbel sind festgenagelt, aber du solltest die Lampe löschen. Es ist zu gefährlich, sie brennen zu lassen. Und damit du dich nicht durch einen Sturz verletzt, würde ich vorschlagen, du bleibst einfach im Bett, bis du von uns Entwarnung bekommst.«
Sie war der Meinung, dass er stark übertrieb, bis sie plötzlich spürte, wie das Schiff unter ihren Füßen zu schlingern begann. Dennoch entging ihr nicht, wie besorgt er sich vergewisserte, dass ihr nichts passieren konnte, ehe er auf das obere Deck zurückeilte, um mitzuhelfen, das Schiff zu sichern. Seine Sorge um sie und dann noch dieses erstaunliche Gespräch von vorhin, bei dem er
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