Im Taumel der Herzen - Roman
als sich auf diese Art aus dem Staub zu machen.«
»So hast du das gesehen, bevor du ins heiratsfähige Alter gekommen bist, aber das war vor drei Jahren. Du willst doch wohl nicht behaupten, dass es dich nicht wütend macht, eine alter Jungfer genannt zu werden.«
Julia brach in lautes Gelächter aus. »Meinst du das ernst? Du vergisst, dass ich im Gegensatz zu dir keine Aristokratin bin, Carol. Was die Leute über mich sagen, ist mir nicht wichtig. Wohingegen es mir sehr viel bedeutet, dass ich niemandem außer mir selbst Rechenschaft ablegen muss. Du glaubst gar nicht, wie wundervoll das ist! Und offiziell ist es auch. Das Familienvermögen und sämtliche Beteiligungen sind nun mein – es sei denn, der Schuft kehrt zurück.«
2
A ls Julia den entsetzten Gesichtsausdruck sah, mit dem Carol auf ihre gedankenlose Bemerkung reagierte, schnappte sie selbst erschrocken nach Luft. » So habe ich das nicht gemeint! Ich habe dir doch gesagt, dass der Zustand meines Vaters unverändert ist.«
»Wie können dann all seine Besitztümer und Geschäfte dir gehören, ohne dass er … verblichen ist?«, fragte Carol mit viel Zartgefühl.
»Weil er an einem seiner seltenen klaren Tage vor ein paar Monaten seine Anwälte und Bankiers ins Haus zitiert und mir die Leitung von alledem übertragen hat. Wobei ich seit dem Unfall ohnehin alles regle, doch nun werden mir die Anwälte nicht mehr ständig über die Schulter sehen. Sie dürfen mir immer noch mit Rat und Tat zur Seite stehen, aber ich muss nicht mehr auf sie hören. Vater hat mir an jenem Tag mein gesamtes Erbe überschrieben – früher, als ich es wollte.«
Den Heiratsvertrag konnten die Anwälte allerdings nicht lösen – was Julia jedoch schon bekannt gewesen war. Ihr Vater hatte bereits vor Jahren erfolglos versucht, ihn annullieren zu lassen, nachdem offenkundig geworden war, dass ihr Verlobter sich abgesetzt hatte. Der Vertrag konnte nur in gegenseitigem Einvernehmen der beiden Elternteile gelöst werden, die ihn ursprünglich unterzeichnet hatten, und der Graf von Manford – jener schreckliche Mann – wollte davon nichts wissen.
Er hoffte immer noch, sich das Vermögen der Millers unter den Nagel reißen zu können – durch sie, Julia. Das war von Anfang an sein Plan gewesen, und nur deswegen war er schon bald nach ihrer Geburt an ihre Eltern herangetreten und hatte ihnen seine Heiratspläne für ihre Kinder unterbreitet. Helene war begeistert davon gewesen, einen Lord in der Familie zu haben, und wollte unbedingt die Gelegenheit ergreifen, ihre Tochter mit einem Angehörigen des Adels zu verheiraten. Gerald, der ihre übertriebene Bewunderung für die Aristokratie nicht teilte, hatte dem Bund nur deswegen zugestimmt, weil er seiner Frau eine Freude machen wollte. Dennoch hätte das Ganze für alle Beteiligten einen glücklichen Ausgang nehmen können – hätte das verlobte Paar sich nicht zutiefst gehasst.
»Ich verstehe ja, dass du diese Art von Freiheit genießt, aber bedeutet das denn auch, dass du dich damit abgefunden hast, niemals zu heiraten und Kinder zu bekommen?«, hakte Carol vorsichtig nach.
Es überraschte Julia überhaupt nicht, dass ihre Freundin das Thema Kinder anschnitt. Schließlich versuchte Carol selbst gerade krampfhaft, schwanger zu werden. »Nein, ganz und gar nicht. Ich wünsche mir durchaus Kinder«, gab sie ihr zur Antwort. »Das ist mir klar geworden, als du zum ersten Mal erwähnt hast, dass du und Harry bald eines haben wollt. Und irgendwann werde ich heiraten.«
»Wie denn?«, fragte Carol überrascht. »Ich dachte, du wärst auf ewig an diesen Vertrag gebunden.«
»Das bin ich in der Tat, solange der Sohn des Grafen am Leben ist. Nun sind aber schon neun Jahre ins Land gegangen, seit er sich abgesetzt hat, und niemand hat je wieder etwas von ihm gehört. Womöglich liegt er längst mausetot in einem Graben, weil er einem Raubüberfall oder irgendeinem anderen Verbrechen zum Opfer gefallen ist.«
»Lieber Himmel!«, rief Carol mit weit aufgerissenen Augen.
»Das ist es, nicht wahr? Du kannst beantragen, dass er für tot erklärt wird, nachdem inzwischen so viel Zeit vergangen ist! Ich weiß gar nicht, warum ich nicht schon längst auf diese Idee gekommen bin!«
»Ich auch nicht, aber vor drei Monaten, als ich zur Erbin eingesetzt wurde, gab mir einer meiner Anwälte diesen Rat«, erklärte Julia mit einem Kopfnicken. »Der Graf wird sich mit Händen und Füßen wehren, aber die Situation spricht für sich und somit
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