Im Taxi - unterwegs in Kairo
daheim, habe er jedes Mal sofort Pläne für einen weiteren Auslandsaufenthalt geschmiedet. Er hatte im Irak, in Kuwait, Saudi-Arabien und Libyen gelebt und war dabei auch durch Jordanien und Syrien 17 gekommen. Der Mann stand für eine der wichtigsten Einnahmequellen des Landes: die Ãberweisungen jener Ãgypter, die â freiwillig oder gezwungenermassen â im Ausland leben.
Der Fahrer kritisierte Ãgypten scharf. Er sagte, er habe genug von den leeren Phrasen, dass man sein Vaterland lieben müsse, wie »Ich wolltâ, ich würdâ Ãgypter, wenn ichâs nicht schon wärâ« â Worte, die gar nichts brächten. Er berichtete, er sei vor zwei Jahren heimgekehrt und die unfreiwillige Rückkehr sei hart gewesen. Nun müsse er es in diesem »Drecksland«, wie er es nannte, aushalten.
Das alles klang bis hierhin nicht ungewöhnlich â die meisten Fahrer sagten das Gleiche. Doch dann erzählte er Geschichten über das Exil, die mir völlig neu waren, obwohl ich diesen fleissigen Leuten schon seit fast einem Vierteljahrhundert zuhöre.
Er fragte mich: »Kennen Sie den Unterschied zwischen Sadât und Mubârak?«
Nein, den kannte ich nicht und schwieg.
»Der Unterschied, mein Herr, ist, dass Sadât sehr um die Auslandsägypter besorgt war. Er hat uns wirklich beschützt. Mubârak hingegen ist ein Schwächling, er lässt zu, dass die andern Länder die Ãgypter ausnutzen. Ich werde Ihnen eine Geschichte erzählen, damit Sie den Trick begreifen.« (Das Wort »Trick« ergab in diesem Zusammenhang überhaupt keinen Sinn, aber er verwendete es.) »In den siebziger Jahren erlaubte Griechenland den Ãgyptern, auf dem Seeweg einzureisen. Doch dann merkte die griechische Regierung, dass die Zahl der Ãgypter überhandgenommen hatte und der Schmuggel florierte. Was tat sie also?«
»Was denn?«
»Sie liess einen ägyptischen Film, ich glaube, es war Mein Vater auf dem Baum 18 mit Abdalhalîm Hâfis, in mehreren Kinos in jenen Bezirken aufführen, wo Ãgypter lebten. Die gingen natürlich hin, und mitten in der Vorstellung tauchte die Polizei auf und verhaftete sie. Man verfrachtete sie in Polizeibusse und danach auf ein Schiff, um sie nach Alexandria zurückzuschicken, wo die meisten herkamen. Wer erfuhr davon? Sadât. Er wurde wütend, sprach mit dem ägyptischen Botschafter in Athen und befahl ihm anzurufen, sobald das Schiff auslaufe. Tatsächlich gabder Botschafter wenig später diese Meldung durch. Sadât rief daraufhin den Innenminister an und befahl, sofort hundert Griechen in Ãgypten aufzugreifen und sie, statt mit dem Schiff, per Flugzeug in ihre Heimat zu schicken.
Als der griechische Ministerpräsident von der Sache hörte, rief er Sadât an. Der versicherte ihm: âºWas ihr mit meinen Leuten macht, tue ich mit euren.â¹ Und er drohte: âºÃbrigens ist das noch gar nichts! Sie werden schon sehen.â¹ Daraufhin blieb dem griechischen Ministerpräsidenten nichts andres übrig, als den Kapitän anzurufen und die Rückkehr des Schiffes anzuordnen. Alle Ãgypter auf dem Schiff kehrten also nach Athen zurück. Sie bekamen sogar eine Aufenthaltserlaubnis, stellen Sie sich das vor! Aber die Geschichte ist doch bekannt. Wie kommt es, dass Sie noch nie davon gehört haben? Das war Sadât! Der hat alle Auslandsägypter beschützt.«
Ich sagte dem Fahrer, dass ich diese Geschichte tatsächlich zum ersten Mal hörte, auch wenn sie bekannt sei.
»Na, dann hören Sie sich mal die nächste an. Es gibt zwar viele Geschichten über Sadât, aber die hier ist besonders schön: Nach Camp David 19 herrschte Krach zwischen Ãgypten und den Arabern. Damals war ich im Irak. Saddâm hetzte gegen Ãgypten, und die ägyptischen Gastarbeiter bekamen zusehendsProbleme mit den Irakern. Ausserdem begannen die Scharmützel zwischen Irak und Iran. Kurz gesagt, die ganze Welt war in Aufruhr. Sadât rief Saddâm an und sagte ihm: âºSchau, mein Lieber, politisch sind wir unterschiedlicher Meinung, meinetwegen. Aber niemand darf meinen Leuten etwas zuleide tun! Ist das klar?â¹ In Bagdad gab es ein Viertel namens Murâbaa, wo viele Ãgypter lebten. Sadât drohte: âºPass bloss auf, Saddâm, sonst werde ich meine Jungs aus Murâbaa auf dich ansetzen.â¹ Saddâm kapierte jedenfalls schnell, dass es
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