Im Totengarten (German Edition)
gesagt?«
»Nichts, ich war zu sehr damit beschäftigt, vor dem Kerl zu flüchten. Gott, ich wünschte, er wäre wenigstens ein bisschen sexy, dann hätte ich in meiner wunderbaren Wohnung bleiben können.« Lola, auf deren Nasenrücken ein paar hübsche Sommersprossen tanzten, schwelgte in ihrem erlebten Drama und bauschte ihre Prachtmähne mit den Händen auf. »Außerdem habe ich diesen Monat Dutzende von Malen vorgesprochen, ohne dass auch nur ein einziger Mensch zurückgerufen hat.«
»Du kannst das Gästezimmer haben, so lange du willst«, bot ich ihr an.
Ihre hellgrünen Augen fingen an zu leuchten. »Echt? Nur bis ich was anderes finde.«
»Klar. Aber du weißt, dass Will fast täglich bei mir auftaucht.«
Ihre Miene wurde weich. »Wie geht es ihm?«
»Nicht wirklich gut.«
»Lebt er immer noch in seinem Bus?«
Ich nickte. »Ich hoffe die ganze Zeit, dass er doch noch bei mir einzieht, aber das will er einfach nicht.«
»Ich würde mich total freuen, ihn mal wiederzusehen«, stellte Lola strahlend fest. »Dann wird es wieder wie in der guten alten Zeit.«
»Nein, ich muss dich enttäuschen, Lola.« Ich nahm ihre Hand und zwang sie, mir ins Gesicht zu sehen. »Will hat sich unglaublich verändert. Manchmal kann er richtiggehend furchteinflößend sein.«
»Furchteinflößend?« Sie starrte mich ungläubig an. »Inwiefern?«
»Meistens ist er total nervös und zittrig, und wenn ihm die Nerven durchgehen, willst du wirklich nicht in seiner Nähe sein.«
Jetzt schüttelte sie ungläubig den Kopf. »Kannst du dich noch erinnern, als wir drei auf Kreta waren? Die Mädchen standen Schlange, um mit ihm zu tanzen. Er war immer der totale Frauenschwarm. Ich kann es einfach nicht verstehen.«
»Ich schon. Weil es schließlich schon seit acht Jahren so geht.«
»Himmel. Schon so lange?« Etwas an meinem Gesichtsausdruck schien sie davor zu warnen, näher auf das Thema einzugehen, und deshalb blickte sie mich fragend an. »Also, nun erzähl schon. Wie stehen die Aktien mit diesem Chirurgen?«
»Es ist gelaufen wie jedes Mal.«
»Das ist ja wohl ein Witz. Es klang, als wäre er der tollste Hecht der ganzen Stadt.«
»Ich nehme an, das ist er auch«, räumte ich mit einem reumütigen Lächeln ein.
»Woran lag es dann dieses Mal? Oder bleibst du einfach bei deiner Politik, die Kerle fallenzulassen, sobald es ihnen ernst zu werden scheint?«
»Keine Ahnung.« Ich trank einen Schluck von meinem Wein. »Vielleicht bin ich ja einfach eine böse, Männer hassende Hexe.«
»Nie im Leben«, lachte sie. »Willst du wissen, was ich denke?«
»Los, Dr. Tremaine, analysieren Sie mich.«
»Du arbeitest einfach zu viel. Und du gehst immer nur mit seriösen Männern aus, die du beruflich kennst.« Sie schwenkte ihr leeres Weinglas durch die Luft. »Du brauchst einfach mehr Spaß.«
»Das ist also deine Diagnose?«
»Du brauchst eindeutig mehr Partys. Ich verschreibe dir durchtanzte Nächte und vor allem mehr Alkohol.« Sie füllte unsere beiden Gläser bis zum Rand.
»Habe ich dir schon von diesem Regisseur erzählt?« Sie holte zu einer langatmigen Geschichte von einem Amerikaner aus, der sie mit Anrufen bombardierte, seit sie einmal zum Vorsprechen bei ihm gewesen war. »Er bietet mir gemeinsame Abendessen, Urlaubswochenenden, Fotoshootings und alle möglichen anderen Sachen an. Nur eben keine Rolle in seinem verdammten Film.«
»Du musst einfach damit aufhören, so unwiderstehlich zu sein, Lola.«
»Unmöglich, Schätzchen.« Sie sah mich mit einem breiten Grinsen an. »Das habe ich einfach in den Genen.«
Danach unterhielt mich meine Freundin für den Rest des Abends mit unzähligen amüsanten Anekdoten, die sie mit wechselnden Akzenten und in einer Unzahl verschiedener Rollen zum Besten gab. Als ich auf die Uhr sah, war es schon nach zwei, und die beiden Flaschen waren leer.
»Für heute Abend habe ich genug gelacht«, klärte ich sie lächelnd auf. »Ich muss langsam ins Bett.«
»Kannst du mich wecken? Ich habe nämlich um zehn einen Vorsprechtermin in Hammersmith.«
»Super. Für was für eine Rolle?«
»Ophelias Zofe.« Sie rümpfte die Nase. »Aber man muss eben nehmen, was man kriegen kann.«
Als ich Lola morgens wecken wollte, wurde sie einfach nicht wach. Sie lag praktisch bewusstlos zusammengerollt wie eine exotische Katze mitten auf dem Bett, hatte aber das Gästezimmer bereits umfassend mit Beschlag belegt. High Heels in allen Regenbogenfarben stapelten sich an der Wand, und eine leuchtend
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