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Im Totengarten (German Edition)

Im Totengarten (German Edition)

Titel: Im Totengarten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Rhodes
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als Sie Feierabend hatten, bin ich Ihnen bis hierher gefolgt, um zu sehen, wo Sie wohnen.«
    Meine Zunge klebte immer noch an meinem Gaumen. Der Kerl musste mit der Absicht durch das riesige Gefängnistor getreten sein, mich umgehend aufzuspüren. »Das hätten Sie nicht machen sollen, Morris. Dafür könnte die Polizei Sie sofort wieder einbuchten.« Ich versuchte, möglichst gleichmäßig zu atmen, und fuhr fort: »Aber da Sie nun einmal hier sind, möchten Sie vielleicht was essen oder trinken, bevor Sie nach Hause gehen?«
    Er schüttelte den Kopf. Er wurde immer aufgeregter, ballte seine Fäuste und verlagerte sein Gewicht von einem auf den anderen Fuß. Ich sah über meine Schulter und versuchte rauszufinden, wo mein Telefon oder mein Handy lagen.
    »Wissen Sie, ich mag Sie«, meinte er. »Ich dachte, Sie würden mich hier wohnen lassen.«
    »Ich fürchte, ich habe keinen Platz für Sie, Morris. Außer mir wohnt nämlich auch noch meine Freundin hier.« Ich warf einen Blick auf meine Uhr. Es war fast Mitternacht. Lola schien ihr Unglück zu ertränken. Oder vielleicht schlief sie auch bereits bei irgendjemand anderem auf der Couch.
    Als Cley eine Grimasse zog, war nicht zu erkennen, ob er wütend oder ängstlich war. »Ich kann nicht dorthin zurück. Die Sachen von meiner Mum sind überall.«
    »Und Sie ertragen ihren Anblick nicht.«
    »Ihre Pantoffeln stehen direkt neben der Tür, und überall liegt irgendwelcher Krimskrams von ihr rum.« Seine Augen wurden feucht.
    »Wo haben Sie denn bisher gewohnt?«
    »Letzte Nacht war ich im Park. Ich konnte nirgendwo anders hin.«
    »Da haben Sie bestimmt nicht viel geschlafen.«
    »Jeannie hat mir manchmal erlaubt, dass ich in ihrem Bett schlafe.« Lächelnd trat er noch dichter an mich heran. »Sie sehen genauso aus wie sie.«
    Als ich ihm in die Augen sah, entdeckte ich dort abgrundtiefe Einsamkeit, aber nicht den allerkleinsten Hinweis auf Gewalt. Dann aber nahm mein Hirn die Arbeit wieder auf, und mein Herz schlug bis zum Hals. Ein verurteilter Mörder sagte mir, dass ich das Ebenbild von seinem Opfer war.
    »Nein, Morris. Sie müssen nach Hause gehen. Sofort.«
    Ich legte meine Hand auf den Türgriff, doch er packte meinen Arm.
    »Bitte, nur für diese eine Nacht.« Seine Finger schlossen sich noch fester um mein Handgelenk. »Morgen früh werde ich wieder gehen, versprochen.«
    Bevor ich mich befreien konnte, packte er auch meine andere Hand. Ich spürte instinktiv, dass ich die größte Chance hätte, wenn es mir gelänge, mich an ihm vorbei in den Flur hinauszukämpfen. Aber er war fest entschlossen und erstaunlich stark. Ich versuchte abermals, mich loszureißen, und verspürte plötzlich einen blendend grellen Schmerz, als mein Schädel den Türrahmen traf.
    Weiß Gott, wie lange ich bewusstlos war, doch irgendwann nahm ich wahr, dass ich auf dem Rücken vor meiner Wohnungstür lag und Lola ängstlich auf mich heruntersah.
    »Verdammt«, entfuhr es ihr. »Das sieht wirklich eklig aus.«
    Ich hatte einen seltsamen metallischen Geschmack im Mund, vor meinen Augen tauchten immer wieder schwarze Flecken auf, und auf dem Boden prangten dicke Tropfen leuchtend roten Bluts.
    Behutsam setzte ich mich auf. »Was ist passiert?«
    »Ich habe ihm eins mit der Lampe über den Schädel gezogen und danach die Polizei gerufen.« Lola klang, als erwarte sie eine Belobigung für ihren auffallenden Mut.
    Die Porzellanscherben des Lampenfußes waren auf dem Fußboden verstreut.
    »Aber er ist entwischt?«
    Sie nickte kurz. »Er hatte dich gegen die Wand gedrückt und sich an dir festgeklammert wie ein Ertrinkender.«
    Die aufgeschürfte Haut an meiner Wange brannte, als ich vorsichtig mit einer Hand darüberstrich.
    »Bleib hier«, wies sie mich an. »Ich hole etwas Eis.«
    Ich saß immer noch mit einer Tüte gefrorener Erbsen auf dem Auge auf dem Boden, als DS Alvarez erschien. Ich knirschte mit den Zähnen. Er schien fest entschlossen, mir eine erneute Dosis seiner strotzenden Arroganz zuteil werden zu lassen, als er vor mir in die Hocke ging.
    »Sie haben momentan kein Glück, nicht wahr, Dr. Quentin?«
    »Eigentlich schon. Das hier ist eine Ausnahme.«
    »Und Sie haben mich aus dem Bett geholt. Das Revier hat bei mir angerufen, weil Cley ganz oben auf unserer Fahndungsliste steht.« Er beugte mich zu mir herab. »Lassen Sie mich Ihr Gesicht ansehen.« Zwischen seinen Brauen verlief eine vertikale Linie, als brächte er seine ganze Freizeit damit zu, darüber nachzudenken,

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