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Im Totengarten (German Edition)

Im Totengarten (German Edition)

Titel: Im Totengarten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Rhodes
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High Street ihrem schlechten Ruf nicht mehr gerecht. Die Unterschlupfe der Verbrecher in den einstmals engen, dunklen Gassen hatten Pizzerien, Feinkostläden und Maklerbüros Platz gemacht.
    Ich schloss meine Augen und versuchte zu verstehen. Jemand hatte Will von einem Dach geworfen, auf den Rücksitz eines PKWs verfrachtet und ihn dann an einem kalten Tag, an dem es problemlos hätte schneien können, neben irgendwelchen Mülltonnen entsorgt. Es fiel mir schwer, mir vorzustellen, weshalb irgendjemand ausgerechnet meinem Bruder derartige Schmerzen zufügen wollte.
    »Dann ist er wegen dieser Morde jetzt ja wohl zumindest aus dem Schneider, oder nicht?«
    Burns sah weiter geradeaus. »Nicht wenn es kein Einzeltäter war. Aber wir werden ja sehen, was er zu sagen hat, wenn er wieder zu sich kommt.«
    Es hatte keinen Sinn, noch weiter auf das Thema einzugehen. Denn das hätte jemanden wie Burns in der Verfolgung seiner unlogischen Spur wahrscheinlich noch bestärkt.
    Wir fuhren durch eine Reihe schmaler Straßen, in denen vor luxussanierten Häusern jede Menge Smarts und Toyota Prius standen. Offenkundig lebten lauter gutbetuchte, junge Paare in der Gegend, für die der Begriff des Klimawandels nicht nur eine leere Phrase war.
    Schließlich parkte Burns vor einer umgebauten alten Werkshalle, die sich von allen anderen Gebäuden in der Gegend deutlich unterschied. Die wahrscheinlich zentimeterdicke Schmutzschicht, die vom East End über Jahre hinweg auf die Mauern aufgetragen worden war, hatte jemand sorgfältig entfernt, und jetzt hob sich der Backstein, der in seinem ursprünglichen dunklen Rosaton erstrahlte, von seiner Umgebung wie ein Neugeborenes von einer Gruppe alter Männer ab.
    Auf dem Weg zum Eingang legte Burns warnend seine Hand auf meinen Arm.
    »Machen Sie sich darauf gefasst, dass er im Augenblick bestimmt nicht auf Besucher eingerichtet ist.«
    Und tatsächlich dauerte es bereits ewig, bis er endlich an der Tür erschien. Er zog sie einen Spaltbreit auf und musterte uns argwöhnisch aus trüben braunen Augen, ehe er nach einer neuerlichen halben Ewigkeit einen Schritt zur Seite trat. Durch die Wohnung schien ein Wirbelsturm hindurchgefegt zu sein. Schon im Flur türmten sich unordentliche Kleiderhaufen, und ein Sammelsurium aus Büchern, Bechern sowie Pappkartons von irgendwelchen Restaurants und Imbissbuden war über die ganze Wohnfläche verteilt. Im Wohnzimmer roch es nach Kaffee und abgestandener Luft, und in einer Ecke nahm ich einen Haufen ungewaschenen Bettzeugs wahr.
    Mark Wilkes selbst sah sogar noch schlimmer als seine Wohnung aus. Sein Jogginganzug hatte eindeutig die besten Zeiten hinter sich, sein braunes Haar hing fettig in das eingefallene Gesicht, und die Ringe unter seinen Augen waren derart dunkel, dass man hätte denken können, jemand hätte ihm zwei Fausthiebe verpasst. Als er losschlurfte, um frischen Kaffee für uns aufzusetzen, machte ich das Fenster ein paar Zentimeter auf und ließ erst mal ein wenig frische Luft herein.
    Plötzlich tauchte aus dem Nichts eine Siamkatze vor mir auf und strich mir laut miauend um die Beine, bevor sie sich schnurrend neben mir aufs Sofa sinken ließ.
    Als Wilkes zurückkam, fand sich keine freie Fläche auf dem Couchtisch, und so stellte er die Becher einfach auf dem Boden ab.
    »Die Katze gehörte Suzanne«, stellte er mit ausdrucksloser Stimme fest. »Weiß der Teufel, was ich mit ihr machen soll.«
    Die Bedeutung seines Tonfalls war mir sofort klar. Depressive klangen immer gleich. Im schlimmsten Fall so monoton, als könnte sie nie wieder irgendetwas überraschen oder gar erfreuen. Burns schien gar nicht zuzuhören, denn er musste sich nach Kräften darauf konzentrieren, dass er nicht von dem kleinen Hocker fiel, auf dem er mühsam die Balance hielt. Wilkes setzte sich mit gekreuzten Beinen vor uns auf den Boden, wie ein Grundschüler, der darauf wartete, dass ihm der Lehrer irgendwelche Anweisungen gab. Ehe ich jedoch auch nur die erste Frage stellen konnte, fing er schon an zu reden.
    »Ich habe ihr gesagt, dass sie diesen verdammten Job aufgeben soll, weil die Arbeit mit diesem Gesocks die reinste Zeitvergeudung ist. Abschaum, allesamt.«
    Er öffnete und ballte abwechselnd die Fäuste, wie in Vorbereitung eines Kampfes. Vielleicht schrie er ja auch noch lange nachdem Burns und ich wieder gegangen wären, die Wände seiner Wohnung an. Der DCI sah vollkommen erschüttert aus, als hätte ihn der Strom der Worte umgehauen, für mich jedoch

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