Im Wahn - Moody, D: Im Wahn - Hater
mehr als eine Stunde gedöst, fühle mich aber so entspannt, als hätte ich die ganze Nacht durchgeschlafen. Ich betrachte den Baldachin aus Blättern und unebenmäßigen Zweigen über meinem Kopf. Und sehe ein bekanntes Gesicht vor mir.
»Ich dachte mir, dass du es bist«, sagt Patrick. »Also bist du auch entkommen.«
Ich richte mich rasch auf. Er streckt mir die Hand hin, ich schüttle sie. Als ich mich umsehe, stelle ich fest, dass noch viel mehr Leute hier eingetroffen sind, während ich geschlafen habe.
»Alles klar mit dir?«, frage ich, stehe auf und strecke mich.
»Mir geht es ganz ausgezeichnet«, antwortet er und grinst von einem ohr zum anderen. »Und dir?«
Ich denke nach, bevor ich antworte. In weniger als vierundzwanzig Stunden habe ich alles verloren, was mir je etwas bedeutet hat. Ich sollte mich niedergeschlagen, resigniert und am Boden zerstört fühlen, aber das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Patricks Aussage kann ich nur zustimmen. Mir geht es blendend. Ich fühle mich lebendig. Mein Körper strotzt vor Energie und Kraft. Mein verstand ist klar. Ich bin bereit zu tun, was ich tun muss.
»Ich hab mich noch nie so gefühlt wie heute«, erwidere ich. »Ich hab mich noch nie so gut gefühlt.«
Es dauert nicht lange, und wir ziehen weiter. Die Führer, die uns hierhergebracht haben, sagen uns, dass auf der anderen Seite des Tals eine kleine Stadt liegt. Dort fangen wir an. Ich weiß genau, was ich zu tun habe. Jetzt bin ich bereit, so viele von denen zu vernichten, wie ich kann. Der Kampf hat erst begonnen.
Wir kommen unter den Bäumen im Tal hervor. Es ist ein klarer und trockener Morgen. Die Sonne geht gerade auf, und ich höre Kampflärm aus weiter Ferne im Wind. Ein Hauch von Rauch liegt in der Luft – der Geruch ihrer Welt, die bis auf die Grundmauern niedergerissen wird.
Mein Gott, ich fühle mich so stark. Ich weiß jetzt, dass ich die Fesseln und Hemmungen meines früheren Lebens endlich abgestreift habe, meinen Instinkten folgen und tun und lassen kann, was ich will. Zum ersten Mal, seit ich sie verlassen musste, kann ich an Ellis denken und verspüre keinen Schmerz. Ich weiß, mein kleines Mädchen ist irgendwo da draußen und tötet für uns. Ich hoffe, ich finde sie eines Tages wieder. Dann werde ich ihr sagen, wie stolz ich auf sie bin.
Wir bewegen uns wie ein Rudel voran und erklimmen den steilen Hügel, der vor uns liegt. Als wir den Gipfel erreichen, bin ich nicht einmal außer Atem. Ich stehe neben Patrick, und gemeinsam betrachten wir den wirklich malerischen Anblick, der sich uns bietet. In der Ferne sehen wir die brennende Stadt. Schon jetzt toben Kämpfe auf den Straßen. Explosionen erschüttern Gebäude und legen sie in Schutt und Asche. Menschen laufen herum, kämpfen und töten.
Es ist beeindruckend.
Patrick grinst wie ein Kind an Heiligabend.
Die Sonne überzieht alles mit einem gleißenden, goldenen Licht; ich kann Meilen in jede Richtung sehen. Von allen Seiten rücken Leute auf die Stadt vor. Aufgeregt laufe ich in Richtung der Gebäude, weil ich unbedingt dort sein, kämpfen und töten will.
Wir donnern die andere Seite des Hügels hinab, rennen diagonal über ein großes, unebenes Feld und erreichen die Hauptstraße in die Stadt. Mit zwei anderen breche ich in das erste Haus ein, das wir erreichen. Wir schlagen einfach eine Fensterscheibe ein und verschaffen uns Zutritt. Die beiden älteren Bewohner sind oben und hocken zitternd in ihrem Schlafzimmer. Ein Wesen versteckt sich unter dem Bett. Ich zerre es hervor, richte es auf und schlage sein Gesicht gegen die Wand. Im Schrank ist ein anderes. Es versucht, ganz leise zu sein, aber ich höre sein unregelmäßiges Atmen und erbärmliches Wimmern. Ich reiße die Tür auf, schleudere es durch das Zimmer und beobachte zufrieden, wie die beiden anderen, die bei mir sind, es in Stücke reißen.
Als wir wieder nach draußen gehen, hat sich der gleiche blutige Überfall viele Male in vielen Häusern so oder ähnlich abgespielt. ohne Atempause laufe ich weiter, da ich es kaum erwarten kann, noch mehr von ihnen zu finden und zu vernichten.
Dies ist ein perfekter Tag.
Nach so viel Unsicherheit, Angst und Schmerz ist alles glasklar. Alles ergibt endlich einen Sinn.
Wir sind im Krieg.
1. Auflage
originalausgabe August 2009
Copyright © 2006 by David Moody
Copyright © dieser Ausgabe 2009
by Wilhelm Goldmann verlag, München,
in der verlagsgruppe Random House GmbH
Dieses Werk wurde im Auftrag von
St.
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