Im Wald der gehenkten Füchse
Granatwerfern ankamen. Du bist wohl Berufsoffizier?«
»Aktiver Offizier, ja. Aber jetzt bin ich für ein Jahr vom Dienst freigestellt worden. Man muss hin und wieder mal raus aus der normalen Routine, falls du verstehst. Die meisten sterben zu Hause, ha, ha.«
Oiva Juntunen verstand den Major sehr gut. Wenn er an Humlegården und Siira dachte, so traf der Ausspruch des Majors buchstäblich auch auf ihn zu.
Dann hielt er den Augenblick für gekommen, mit dem Lügen anzufangen.
»Ich bin Assistent Asikainen«, stellte er sich vor. »Ich bin Bibliothekar, verdiene mein Brot in der Universitätsbibliothek von Helsinki.«
»Was treibt denn einen Bibliothekar in diese Gegend? Hier gibt es gar keine Bücher«, wunderte sich der Major.
»Eigentlich will ich ökologische Eindrücke sammeln. Ich interessiere mich für alles, was mit Umweltschutz zu tun hat.«
In Wahrheit hatten ihn Umweltfragen nie sonderlich interessiert, doch er vermutete, so ein vierschrötiger Major kenne sich bei diesem Thema noch weniger aus, und dadurch bestünde die Chance, dass er die Tarngeschichte glauben würde.
»Meine Tante ist gestorben. Ich habe ein bisschen Geld von ihr geerbt, und da dachte ich, nun habe ich endlich mal die Gelegenheit, nur an mich zu denken und mich hier in Lappland ein wenig umzusehen.«
Wie wahr, Oiva Juntunen dachte an sich selbst, aber auch an den ehemaligen Baggerfahrer Sutinen, den Vertriebskaufmann Siira und die Polizisten aller nordischen Länder. Sie alle gemeinsam zwangen ihn, sich hier in die Wildmark zurückzuziehen. Was bedeutete schon eine tote Tante im Vergleich zu einem lebenden Siira.
Oiva Juntunen war beim Lügen in Fahrt gekommen. Er erzählte dem Major seinen familiären Hintergrund: Er sei Junggeselle, was zufällig sogar stimmte. Er stamme aus Helsinki, was nicht stimmte, und sei Bibliothekar, das war besonders frech gelogen. Auch alles andere, was folgte, war blanker Unsinn: Er sammle seit seiner Kindheit Pflanzen, habe ein Aquarium, beobachte Vögel und verfolge die Spuren der Säugetiere.
Die einzigen Säugetiere, für die sich Oiva Juntunen je interessiert hatte, waren Frauen.
»Ich habe zu Hause ein eigenes astronomisches Fernrohr und eine Bibliothek mit über tausend Bänden, dabei ist das noch wenig ... Außerdem engagiere ich mich in der Umweltbewegung. Bei uns in Finnland sollte kein einziges Wasserkraftwerk mehr gebaut werden, die Stromschnellen müssen frei fließen können.«
Oiva Juntunen sprach ausführlich über die kommende Ökokatastrophe.
»Ein so junger Mann und so viele Sorgen«, bemerkte der Major.
»Als meine Tante im Frühjahr an Blasensteinen starb, habe ich beschlossen, nach Lappland zu fahren und meine Flechtensammlung zu vervollständigen«, setzte Oiva Juntunen seinen Lügen noch eins drauf.
»Wie viele gibt es denn davon?« Der Major gewann Interesse. »Bärenmoos, Astmoos und gewöhnliche Flechte, die drei Sorten kenne ich zumindest.«
Oiva Juntunen wurde vorsichtig. »Es gibt mehr als zehn Arten, wenn man die reinen Flechten nimmt. Moose und Bartflechten sind eine Sache für sich, auch Pilze und Baumschwamm. Ich habe mich speziell mit Flechten befasst.«
»Aha. Nun gut, auf der Militärhochschule haben wir uns nicht näher mit Flechten beschäftigt.«
»In der Atmosphäre ist in den letzten Jahren eine alarmierende Veränderung vor sich gegangen«, erklärte Oiva Juntunen, um das Gespräch von den Flechten weg und wieder auf allgemeinere Gebiete zu lenken. »Gewaltige Mengen von Kohlendioxyd sind in die obersten Luftschichten eingedrungen, und das kommt vom Ozon. Dieses wiederum gelangt in die Atmosphäre aus den Deos, die sich die Frauen unter die Achseln sprühen, denn die enthalten Treibgas. Aber auch die schwere, auf Kohleenergie basierende Industrie ist nicht schuldlos. Und dann die Abholzungen in den Regenwäldern am Amazonas! Blattgrün wird bis zum Jahr 2050 von der Welt verschwinden, wenn die Menschheit nicht zur Vernunft kommt.«
»Aber man braucht doch auf jeden Fall Bretter und Balken«, warf der Major ein.
»Hier im Norden droht außerdem noch eine andere Gefahr. Wenn die Atmosphäre zu stark verunreinigt wird, scheint die Sonne immer heißer. Durch jene Gase erhitzt sich nämlich die Luft in der Sonne stärker. Die Folge ist, dass die polaren Gletscher schmelzen und das Wasser ins Meer fließt. Wenn Grönland schmilzt, steigt der Meeresspiegel des Atlantiks um drei Meter, und wenn die Antarktis schmilzt, steigt die Oberfläche des
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