Im Wald der gehenkten Füchse
Telefonanruf!« (Es machte Spaß, die Sache so zu sehen. Dass der Grund der Beurlaubung der Pomeranzenschnaps gewesen war, war jetzt nicht wichtig.)
Oiva Juntunen fragte den Major, weshalb er sich hier in der Wildmark aufhielt und nicht zum Beispiel in Helsinki an seiner Lizentiatarbeit schrieb.
Remes suchte fieberhaft nach einer passenden Antwort. Es war ihm nämlich selbst unklar, weshalb er mit einem Universitätsassistenten am Feuer hockte. Dann fand er eine Ausrede:
»Nun, ich mache erst mal Urlaub. Nachhher im Winter kann ich noch genug forschen und studieren. Ich will zunächst Kräfte sammeln.«
Der Major starrte eine Weile ins Feuer.
»Meine finanzielle Situation setzt der Sache nämlich gewisse Grenzen«, vertraute er seinem Gegenüber an. »Ich besitze kein Vermögen, und in meinem Alter nimmt man keinen Studienkredit mehr auf. Manchmal habe ich schon daran gedacht, hier in Lappland nach Gold zu graben. Man müsste es versuchen, manch einer hat in letzter Zeit Glück gehabt.«
Oiva Juntunen zuckte zusammen. Gold! War dieser aufgedunsene Major über ihn im Bilde?
Der Major bemerkte die Aufregung seines Kameraden. Er folgerte, dass anscheinend auch das Herz des Assistenten Asikainen vom Goldfieber gepackt worden war. Vielleicht hatte dieser adrette Bibliothekar ihn beschwindelt und war hierher gekommen, um aufgrund eines sicheren Hinweises Gold zu suchen, obwohl er behauptete, Flechten zu sammeln? Die ehemaligen Goldfundstellen im Fluss Lemmenjoki lagen ganz in der Nähe, in nordöstlicher Richtung. Gut möglich, dass es hier tatsächlich geologisch bedeutende Vorkommen gab.
Major Remes starrte seinen Kameraden, der erschrocken dreinschaute, abschätzend an. Der Kerl wollte angeblich Flechten suchen, so ein Scheiß. Aber egal! Major Remes konnte sich eine Zusammenarbeit mit dem Mann gut vorstellen, es würde sich vermutlich lohnen. Und wenn der andere noch dazu Vermögen besaß, umso besser.
»Das mit dem Gold scheint dich zu interessieren?«, fragte Remes mit gespielter Unschuld.
Oiva Juntunen grübelte fieberhaft. Was bezweckte der Major mit diesen Andeutungen? Noch vorhin hatte er von der Technischen Hochschule geredet, wie kam er jetzt auf dieses Thema? Wusste Remes, dass er, Oiva, fast mehr Gold besaß, als er tragen konnte? Schnappte hier eine teuflische Falle zu? Kannte der Major womöglich Siira, diesen Satan und mehrfachen Mörder?
Oiva Juntunen zwang sich zur Ruhe.
»Hör zu, Remes. Flechten sind mein Ein und Alles. Obwohl wahrscheinlich auch Goldgraben keine schlechte Beschäftigung ist.«
Der Major beschloss, dass es keinen Sinn hatte, den anderen weiter unter Druck zu setzen. Lieber plauderte man erst mal über harmlosere Themen.
»In den dreißiger Jahren hat mein Vater übrigens unseren Familiennamen ins Finnische umgewandelt. Ursprünglich heiße ich gar nicht Remes.«
Oiva Juntunen beruhigte sich. Vielleicht bestand gar kein Anlass zur Sorge. Das wochenlange Versteckspiel hatte ihm lediglich die Nerven geraubt. Nüchtern betrachtet, konnte Major Remes ja überhaupt nichts von dem Gold wissen. Remes? Wie mochte sein Vater geheißen haben?
»Was bedeutet Remes auf Schwedisch?«, fragte Oiva Juntunen interessiert.
Verflixt, ärgerte sich der Major. Der Name hatte vermutlich gar keine schwedische Entsprechung. Er musste trotzdem versuchen fortzufahren:
»Nun ja, mein Vater war so finnisch-national eingestellt, dass er den Namen Remes annahm. Meine Vorfahren väterlicherseits heißen Reuterholm. Die Familie geht zurück auf Baron Reuterholm, der Name ist dir sicher aus der Geschichte bekannt?«
Oiva Juntunen nickte eifrig. Er hatte nicht die leiseste Ahnung von irgendwelchen Reuterholms, aber das musste er ja nicht zugeben. Er bezweifelte, dass Universitätsassistenten all diese Namen kannten, warum also sollte er das wissen.
»In meiner Familie gibt es keinen Baron«, gab er ehrlich zu.
»Ja, so ist es eben ... Aber was ist ein Adelstitel in der heutigen Welt schon wert.« Major Remes winkte ab. »Einen Dreck! Wir sind verarmte Aristokratie, übrig geblieben ist nur der klangvolle Name einer ehrenwerten Familie, sonst nichts. Natürlich empfinde ich es manchmal als bitter, wenn ich bedenke, dass noch vor zweihundert Jahren meine Vorfahren die Geschichte der schwedisch-finnischen Großmacht mitbestimmten.«
»Das ist verständlich«, äußerte Oiva Juntunen. »Bestimmt stinkt es dir manchmal.«
Der Major seufzte schwer. In Wirklichkeit war er nicht adliger als ein
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