Im Westen geht die Sonne unter
habe Sie hergebeten, um Ihnen ein Angebot zu machen.«
Ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte, schoss ihm durch den Kopf. Dennoch versuchte er wenigstens den Anschein zu wahren, ruhig zuzuhören.
Wu fuhr weiter: »Sie sind ein ausgezeichneter Elektronik-Ingenieur, Dr. Chen.« Er hielt einen Augenblick inne, betrachtete Danny beinahe mitleidig. »Ein Jammer, dass die Dummköpfe im Silicon Valley sie ziehen ließen.« Wieder beobachtete er seine Reaktion. Danny hatte Mühe, seine Überraschung zu verbergen. Wu war ausgezeichnet informiert. Er drückte sich höflich aus, aber Wu wusste bestimmt, dass er damals nach dem Studium Kalifornien nicht freiwillig verlassen hatte. Ein Job in der Forschung und Entwicklung im verheißungsvollen Silicon Valley wäre ihm hundertmal lieber gewesen, als die Routinearbeit auf Taiwan. An seinen Zensuren konnte es nicht gelegen haben. Die waren samt und sonders erstklassig. Die Absagen waren rein politisch motiviert, keine Frage. Er war kein Amerikaner, schlimmer: er war Chinese wie Stanley Wu, wenn er auch nicht aus der Volksrepublik stammte. Die Filter der arroganten Amis waren sehr grob eingestellt. Danny versuchte so gut es ging, dieses leidige Thema zu verdrängen. Umso mehr erschütterte Wus Bemerkung sein Selbstvertrauen. Sein Gegenüber hatte ihn die ganze Zeit forschend angesehen. Er schien in seinem Gesicht zu lesen wie in einem offenen Buch. Schließlich sagte er:
»Für uns ist es natürlich ein Glück, dass Sie nach Taiwan zurückgekehrt sind, Dr. Chen. Ich verstehe leider nichts von Ihrer Arbeit, aber meine Berater sagen mir, dass Sie einer der führenden Spezialisten für hoch integrierte CMOS Schaltkreise sind. Das ist genau was wir brauchen für unser Entwicklungsprojekt. Sagen die Berater.«
Die einseitige Konversation drehte sich plötzlich um ein Thema, in dem sich Danny auskannte. Er fühlte sich augenblicklich auf sicherem Boden, vergaß die latente Bedrohung, die ihn bisher gelähmt hatte. »Worum geht es bei dieser Entwicklung?«, fragte er interessiert.
Wus Mondgesicht verzog sich zu einem breiten Lächeln. »Eine sehr heikle Spezialanfertigung für einen wichtigen Kunden. Mehr darf ich Ihnen nicht verraten. Das Projekt läuft unter höchster Geheimhaltung. Wie gesagt, ich verstehe ohnehin nichts von Ihrer Arbeit. Ich weiß nur, dass Sie der richtige Mann dafür wären, der uns noch fehlt.« Er griff in sein Jackett, zog einen Briefumschlag heraus und reichte ihn Danny. »Lesen Sie. Hier steht alles Wichtige drin. Lassen Sie sich ruhig Zeit.« Er erhob sich unvermittelt und entschuldigte sich: »Ich muss einen dringenden Anruf erledigen. Bitte bleiben Sie sitzen, ich bin gleich zurück.«
Verwirrt öffnete Danny den Umschlag. Die Schlange an der Tür beobachtete ihn lauernd, doch je weiter er las, desto unbedeutender wurde die unheimliche Frau, die ihn hierher gelockt hatte. Von einem solchen Angebot hatte er stets geträumt. Entwicklungsleiter bei einem der größten Hersteller von integrierten Schaltkreisen und Platinen für Computer. Nicht im Silicon Valley zwar, in Hsinchu auf Taiwan, wo die meisten großen Konzerne ihren Sitz hatten. Aber mit durchaus vergleichbarem Salär, geradezu unverschämt für taiwanische Verhältnisse. Im Geiste sprang er auf die Tischplatte, führte er einen ausgelassenen Freudentanz auf und brüllte mit jedem Abschnitt lauter: »Ja – ja – ja!« Er hätte den Vertrag auf der Stelle mit seinem Blut unterschrieben, auch ohne den letzten Absatz, der ihm eine ständige Kreditlimite für Wus Kasinos über 500'000 Pataca garantierte. Als Wu zurückkehrte, lächelte auch Danny zum ersten Mal entspannt, seit er diesen Saal betreten hatte.
Weymouth, Dorset, Uk
Das viktorianische Haus mit den übermächtigen Erkern und den verspielten Dachgiebeln thronte auf der kleinen Anhöhe am Greenhill über dem Sandstrand von Weymouth wie ein in Stein gemeißelter Muskelprotz. Jedes Mal ging Ryan dieser Gedanke durch den Kopf, wenn er hier aufkreuzte. Vielleicht regten ihn die hautfarbenen Backsteine zu diesem Gleichnis an. Jedenfalls strahlte das prachtvolle Bed & Breakfast der Whites auch an diesem Morgen wieder die heitere Wonne eines frisch geduschten Bademeisters aus. Auch wenn er sich nicht für das biedere Kleingewerbe von Jessies Mutter erwärmen konnte, das Haus und seine traumhafte Lage mit unverbaubarem Blick aufs offene Meer weckten schon manchmal echten Neid in ihm. Dagegen war das bescheidene Reihenhaus seiner Eltern
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