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Im Westen Nichts Neues

Im Westen Nichts Neues

Titel: Im Westen Nichts Neues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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floß im Rückstrom von dir durch unsre Hände, so daß wir die geretteten in dich gruben und im stummen Angstglück der überstandenen Minute mit unseren Lippen in dich hineinbissen! – Wir schnellen mit einem Ruck in einem Teil unseres Seins beim ersten Dröhnen der Granaten um Tausende von Jahren zurück. Es ist der Instinkt des Tieres, der in uns erwacht, der uns leitet und beschützt. Er ist nicht bewußt, er ist viel schneller, viel sicherer, viel unfehlbarer als das Bewußtsein. Man kann es nicht erklären. Man geht und denkt an nichts – plötzlich liegt man in einer Bodenmulde, und über einen spritzen die Splitter hinweg; – aber man kann sich nicht entsinnen, die Granate kommen gehört oder den Gedanken gehabt zu haben, sich hinzulegen. Hätte man sich darauf verlassen sollen, man wäre bereits ein Haufen verstreutes Fleisch. Es ist das andere gewesen, diese hellsichtige Witterung in uns, die uns niedergerissen und gerettet hat, ohne daß man weiß, wie. Wenn sie nicht wäre, gäbe es von Flandern bis zu den Vogesen schon längst keine Menschen mehr.
    Wir fahren ab als mürrische oder gutgelaunte Soldaten, – wir kommen in die Zone, wo die Front beginnt, und sind Menschentiere geworden.
    *
    Ein dürftiger Wald nimmt uns auf. Wir passieren die Gulaschkanonen. Hinter dem Walde steigen wir ab. Die Wagen fahren zurück. Sie sollen uns morgens vor dem Hellwerden wieder abholen.
    Nebel und Geschützrauch stehen in Brusthöhe über den Wiesen. Der Mond scheint darauf. Auf der Straße ziehen Truppen. Die Stahlhelme schimmern mit matten Reflexen im Mondlicht. Die Köpfe und die Gewehre ragen aus dem weißen Nebel, nickende Köpfe, schwankende Gewehrläufe.
    Weiter vorn hört der Nebel auf. Die Köpfe werden hier zu Gestalten; – Röcke, Hosen und Stiefel kommen aus dem Nebel wie aus einem Milchteich. Sie formieren sich zur Kolonne. Die Kolonne marschiert, geradeaus, die Gestalten schließen sich zu einem Keil, man erkennt die einzelnen nicht mehr, nur ein dunkler Keil schiebt sich nach vorn, sonderbar ergänzt aus den im Nebelteich heranschwimmenden Köpfen und Gewehren. Eine Kolonne – keine Menschen.
    Auf einer Querstraße fahren leichte Geschütze und Munitionswagen heran. Die Pferde haben glänzende Rücken im Mondschein, ihre Bewegungen sind schön, sie werfen die Köpfe, man sieht die Augen blitzen. Die Geschütze und Wagen gleiten vor dem verschwimmenden Hintergrund der Mondlandschaft vorüber, die Reiter mit ihren Stahlhelmen sehen aus wie Ritter einer vergangenen Zeit, es ist irgendwie schön und ergreifend.
    Wir streben dem Pionierpark zu. Ein Teil von uns ladet sich gebogene, spitze Eisenstäbe auf die Schultern, der andere steckt glatte Eisenstöcke durch Drahtrollen und zieht damit ab. Die Lasten sind unbequem und schwer. Das Terrain wird zerrissener. Von vorn kommen Meldungen durch: »Achtung, links tiefer Granattrichter« – »Vorsicht, Graben« – Unsere Augen sind angespannt, unsere Füße und Stöcke fühlen vor, ehe sie die Last des Körpers empfangen. Mit einmal hält der Zug; – man prallt mit dem Gesicht gegen die Drahtrolle des Vordermannes und schimpft. Einige zerschossene Wagen sind im Wege. Ein neuer Befehl. »Zigaretten und Pfeifen aus.« – Wir sind dicht an den Gräben.
    Es ist inzwischen ganz dunkel geworden. Wir umgehen ein Wäldchen und haben dann den Frontabschnitt vor uns. Eine Ungewisse, rötliche Helle steht am Horizont von einem Ende zum andern. Sie ist in ständiger Bewegung, durchzuckt vom Mündungsfeuer der Batterien. Leuchtkugeln steigen darüber hoch, silberne und rote Bälle, die zerplatzen und in weißen, grünen und roten Sternen niederregnen. Französische Raketen schießen auf, die in der Luft einen Seidenschirm entfalten und ganz langsam niederschweben. Sie erleuchten alles taghell, bis zu uns dringt ihr Schein, wir sehen unsere Schatten scharf am Boden. Minutenlang schweben sie, ehe sie ausgebrannt sind. Sofort steigen neue hoch, überall, und dazwischen wieder die grünen, roten und blauen.
    »Schlamassel«, sagt Kat.
    Das Gewitter der Geschütze verstärkt sich zu einem einzigen dumpfen Dröhnen und zerfällt dann wieder in Gruppeneinschläge. Die trockenen Salven der Maschinengewehre knarren. Über uns ist die Luft erfüllt von unsichtbarem Jagen, Heulen, Pfeifen und Zischen. Es sind kleinere Geschosse; – dazwischen orgeln aber auch die großen Kohlenkästen, die ganz schweren Brocken durch die Nacht und landen weit hinter uns. Sie haben einen

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