Im Westen Nichts Neues
auch herhaben. Eine Schmale, Dunkle ist dabei. Man sieht ihre Zähne schimmern, wenn sie lacht. Sie hat rasche Bewegungen, der Rock schlägt locker um ihre Beine. Obschon das Wasser kalt ist, sind wir mächtig aufgeräumt und bestrebt, sie zu interessieren, damit sie bleiben. Wir versuchen Witze, und sie antworten, ohne daß wir sie verstehen; wir lachen und winken. Tjaden ist vernünftiger. Er läuft ins Haus, holt ein Kommißbrot und hält es hoch.
Das erzielt großen Erfolg. Sie nicken und winken, daß wir hinüberkommen sollen. Aber das dürfen wir nicht. Es ist verboten, das jenseitige Ufer zu betreten. Überall stehen Posten an den Brücken. Ohne Ausweis ist nichts zu machen. Wir dolmetschen deshalb, sie möchten zu uns kommen; aber sie schütteln die Köpfe und zeigen auf die Brücken. Man läßt auch sie nicht durch.
Sie kehren um, langsam gehen sie den Kanal aufwärts, immer am Ufer entlang. Wir begleiten sie schwimmend. Nach einigen hundert Metern biegen sie ab und zeigen auf ein Haus, das abseits aus Bäumen und Gebüsch herauslugt. Leer fragt, ob sie dort wohnen.
Sie lachen – ja, dort sei ihr Haus.
Wir rufen ihnen zu, daß wir kommen wollen, wenn uns die Posten nicht sehen können. Nachts. Diese Nacht.
Sie heben die Hände, legen sie flach zusammen, die Gesichter darauf, und schließen die Augen. Sie haben verstanden. Die Schmale, Dunkle macht Tanzschritte. Eine Blonde zwitschert: »Brot – gut –«
Wir bestätigen eifrig, daß wir es mitbringen werden. Auch noch andere schöne Sachen, wir rollen die Augen und zeigen sie mit den Händen. Leer ersäuft fast, als er »ein Stück Wurst« klarmachen will. Wenn es notwendig wäre, würden wir ihnen ein ganzes Proviantdepot versprechen. Sie gehen und wenden sich noch oft um. Wir klettern an das Ufer auf unserer Seite und achten darauf, ob sie auch in das Haus gehen, denn es kann ja sein, daß sie schwindeln. Dann schwimmen wir zurück.
Ohne Ausweis darf niemand über die Brücke, deshalb werden wir einfach nachts hinüberschwimmen. Die Erregung packt uns und läßt uns nicht los. Wir können es nicht an einem Fleck aushaken und gehen zur Kantine. Dort gibt es gerade Bier und eine Art Punsch. Wir trinken Punsch und lügen uns phantastische Erlebnisse vor. Jeder glaubt dem andern gern und wartet ungeduldig, um noch dicker aufzutrumpfen. Unsere Hände sind unruhig, wir paffen ungezählte Zigaretten, bis Kropp sagt: »Eigentlich könnten wir ihnen auch ein paar Zigaretten mitbringen.« Da legen wir sie in unsere Mützen und bewahren sie auf.
Der Himmel wird grün wie ein unreifer Apfel. Wir sind zu viert, aber drei können nur mit; deshalb müssen wir Tjaden loswerden und geben Rum und Punsch für ihn aus, bis er torkelt. Als es dunkel wird, gehen wir unsern Häusern zu. Tjaden in der Mitte. Wir glühen und sind von Abenteuerlust erfüllt. Für mich ist die Schmale, Dunkle, das haben wir verteilt und ausgemacht.
Tjaden fällt auf seinen Strohsack und schnarcht. Einmal wacht er auf und grinst uns so listig an, daß wir schon erschrecken und glauben, er habe gemogelt, und der ausgegebene Punsch sei umsonst gewesen. Dann fällt er zurück und schläft weiter.
Jeder von uns dreien legt ein ganzes Kommißbrot bereit und wickelt es in Zeitungspapier. Die Zigaretten packen wir dazu, außerdem noch drei gute Portionen Leberwurst, die wir heute abend empfangen haben. Das ist ein anständiges Geschenk.
Vorläufig stecken wir die Sachen in unsere Stiefel; denn Stiefel müssen wir mitnehmen, damit wir drüben auf dem andern Ufer nicht in Draht und Scherben treten. Da wir vorher schwimmen müssen, können wir weiter keine Kleider brauchen. Es ist ja auch dunkel und nicht weit. Wir brechen auf, die Stiefel in den Händen. Rasch gleiten wir ins Wasser, legen uns auf den Rücken, schwimmen und halten die Stiefel mit dem Inhalt über unsere Köpfe. Am andern Ufer klettern wir vorsichtig hinauf, nehmen die Pakete heraus und ziehen die Stiefel an. Die Sachen klemmen wir unter die Arme. So setzen wir uns, naß, nackt, nur mit Stiefeln bekleidet, in Trab. Wir finden das Haus sofort. Es liegt dunkel in den Büschen. Leer fällt über eine Wurzel und schrammt sich die Ellbogen. »Macht nichts«, sagt er fröhlich.
Vor den Fenstern sind Läden. Wir umschleichen das Haus und versuchen, durch die Ritzen zu spähen. Dann werden wir ungeduldig. Kropp zögert plötzlich. »Wenn nun ein Major drinnen bei ihnen ist?«
»Dann kneifen wir eben aus«, grinst Leer, »er kann unsere
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