Im Zeichen der blauen Flamme
über die feuchte Stirn. Er schwitzte und fror zugleich und wunderte sich darüber. Kubichi blickte ihn mit ihren groÃen, hellen Augen an.
Ihre Stimme brach den Bann, riss ihn aus seinem Grübeln. »Schmiede doch ein neues Schwert!«
Er war wie abwesend und begriff nicht den Sinn ihrer Worte. »Was hast du gesagt?«
»Schmiede ein neues Schwert! Du bist dazu fähig!« Ihre mandelförmigen Augen blitzten, sie schleuderte ihm ihre Worte herausfordernd entgegen. »Der König vernichtete dein Schwert, weil er hoffte, dich dadurch zu entmutigen und dich deiner Kraft zu berauben. Er will deinen Tod und die Niederlage meines Volkes. Vergiss das Sternenschwert! Es war nicht mehr als ein Gegenstand, den dein Geist und deine Hände formten. Du kannst es nicht aus dem Wasser holen. Schmiede dir ein neues!«
Sein Ausdruck veränderte sich. Kubichis Worte, ihre Zuversicht hatten die Dunkelheit verscheucht. Er konnte wieder denken und planen. Streif die Trauer ab, du Narr!, dachte er. Sie hat recht! Schmiede dir ein neues! Er spürte mit jedem Atemzug, wie er von Energie belebt wurde. Vor seinem geistigen Auge nahm das neue Schwert bereits Formen an. GröÃer sollte es sein und schwerer, aber nicht länger als ein Männerarm, denn ein längeres war beim Kämpfen hinderlich. Dem Griff würde er die Form einer Mondsichel geben â¦
Kubichi stand dicht an der Mauer. Er trat ganz nahe auf sie zu und stützte die Hände zu beiden Seiten ihrer Schultern auf die Steine. Er neigte den Kopf, sodass ihre Stirn dicht unter seinen Lippen lag, und spürte den warmen Duft ihres Haares.
»Hab Dank«, sagte er gepresst. »Du hast mir mein Leben wiedergeschenkt.« Er streichelte ihr Gesicht. Sie rührte sich nicht, doch ihre Augen folgten der Bewegung seiner Hand, wie es Kinderaugen tun.
Dann lächelte sie. »Du wirst den Kampf gewinnen. Ich weià es.«
Er lieà den Blick an ihr vorbeischweifen. Der Nebel hatte das Meer zum Teil verhüllt. Zwischen Himmel und Wasser kreisten mit weit ausgebreiteten Schwingen die Möwen, stürzten schreiend aufeinander los oder schossen steil nach unten.
»Kubichi, was verkünden die Möwen?«, fragte er.
»Dass es bald schneien wird.«
Er zog sie an sich und spürte, wie sie fröstelte. Da die Ainu seit vielen Generationen in enger Verbindung mit der Natur lebten, hatten sich ihre natürlichen Instinkte erhalten. Der sechste Sinn war so fein ausgeprägt bei ihnen wie bei den Tieren. Er wusste, er durfte ihre Warnung nicht auÃer Acht lassen. Sein Entschluss war gefasst.
»Wir werden morgen zum Akagama-Berg, dem âºBerg des roten Eisensâ¹ reiten. Ich muss das Erz zusammentragen, bevor die Schneefälle den Zugang zur Mine versperren.«
5
A m nächsten Morgen war das Wetter klar. Der aufkommende Nordwind fegte über das Hochmoor und schnitt wie ein Messer. Der smaragdgrüne Ozean wurde abwechselnd von Sonnenlicht erhellt, dann wieder mit Schatten bedeckt, und das Wasser durchzogen glitzernde Adern aus Schaum.
Susanoo ritt einen braunen Hengst, nicht allzu groÃ, doch kräftig und von edlem Wuchs. Es war ein junges Tier, das immer noch ungeduldig schnaubte und ausschlug. Es hieà »Kuri-Uma« (Braunes Pferd), denn zu jener Zeit war es üblich, jedes Tier nach seiner Farbe zu benennen. Die Tungusen hatten die Pferde in das Inselreich eingeführt und durch sie einen bedeutenden Sieg errungen 3 . Susanoo hatte schnell die Vorteile dieser Reittiere erkannt und eine Anzahl von ihnen für sich und seine Offiziere angeschafft. Die Pferde hatten sich in Izumo rasch vermehrt. Auch Kubichi hatte ihre anfängliche Scheu vor den unbekanntenTieren verloren. Sie, die furchtlos einen Bären geritten hatte, lernte schnell, gewandt im Sattel zu sitzen. Ihr Reittier trug den Namen »Kin-Uma« (Goldenes Pferd). Es war eine feingliedrige Stute mit braun bewimperten, bläulich schimmernden Augen. Alle Pferde trugen nach Art der Tungusen versilberte Schuppenharnische. Bernstein- und Korallenamulette schmückten ihre Mähnen.
Die Begleitmannschaft bestand aus zwanzig Kriegern. Susanoo hatte Männer ausgesucht, die etwas vom Schmiedehandwerk verstanden und ihm behilflich sein konnten. Die Gruppe ritt in klirrendem Trab in nördlicher Richtung. Bald hatten sie die Küste hinter sich gelassen.
Die Gegend wurde hügelig. Ãber die Hänge zogen sich
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