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Im Zeichen der blauen Flamme

Titel: Im Zeichen der blauen Flamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Träger, die abseits kauerten, sprangen auf und schleppten die Sänfte herbei. Da erst erlosch der Jubel.
    Â 
    Ich stand auf dem höchsten Turm der Festung. Der Wind hatte sich gedreht und kam von Norden. Es war bitterkalt. Das vertrocknete Laub rieselte wie roter Regen auf den gefrorenen Boden. Die Sonne schimmerte in glanzlosem Silber, weit weg hinter den Nebelschwaden. Während ich so dastand, die erstarrten Hände in den Ärmeln meines Gewandes verborgen, streifte eine Schneeflocke meine Wange. Ich hob das Gesicht, sah, wie die Flocken federleicht fielen. Unglaublich schnell verhüllte ein grauer Nebelschleier die Landschaft. Doch ich stand regungslos und spürte die Kälte nicht, die mir bis in die Knochen drang. Die Sehnsucht brannte in mir, durchdrang meine Seele mit dumpfem, schmerzlichem Verlangen. Ich bat den Wind, mich auf seinen Schwingen zu tragen. Die Welt um mich herum versank. Auf den Flügeln der Vorstellungskraft überwand ich Raum und Zeit. Die wirbelnden Schneeflocken teilten sich wie ein Vorhang und ich sah am Meeresufer eine gigantische schwarze Festung. Sie glich einer Galeere, die sich mit aufgeblähten Segeln in den Himmel schwingt. Ich spürte das Heben und Senken des nahen Ozeans, hörte das donnernde Anrollen der gewaltigen Brecher. Auf der großen Terrasse, die sich nach Westen hin öffnete, sah ich im Nebel einen Mann und eine Frau stehen. Ich bat die Geister, mir ihre Gespensteraugen zu verleihen, und wurde selbst zu diesem Mann, zu dieser Frau, deren Gedanken, Gefühle und Träume ich teilte …

4
    D ie Taube löste sich aus dem feinen Dunstschleier wie eine Erscheinung aus dem Nichts. Sie ließ sich auf dem Mauersims nieder und suchte eine Steinnische auf, um sich dort auszuruhen. Ein Wächter hatte ihre Ankunft beobachtet. Seine scharfen Augen hatten den winzigen Zylinder aus gehämmertem Silber gesehen, der an ihrem Bein befestigt war. Er näherte sich behutsam der Taube. Sie ließ sich willig greifen und aus der Mauernische nehmen.
    Auf der großen Terrasse trat Kubichi nahe an die Zinnen und sah nach unten. Die Küste verschwand im Dunst, aber der Wind blies vom Meer her, und die weißen Wellen wuschen die untersten Zweige der Kiefer blank. Kubichis Augen wanderten zu einem Möwenschwarm hinüber, der aufgeregt über die Klippen flatterte.
    Â»Der Winter wird hart werden«, sagte sie. »Siehst du die Möwen dort?«
    Susanoo blickte sie an und lächelte. »Was ist denn mit den Möwen?«
    Â»Sie fressen zu viel und zu hastig. Sie wissen, dass es bald schlechtes Wetter geben wird. Auch wir werden es bald spüren.«
    Susanoo betrachtete sie nachdenklich. Sie war von Kopf bis Fuß in weißes Hirschleder gekleidet, das mit Korallen und blauvioletter Stickerei verziert war. Darüber trug sie einen Umhang aus weichen Fuchsfellen. Ihr Gesicht hatte die Farbe von Kupfer, mit einem Hauch von rötlichem Gold. Ihre grauen Augen waren mandelförmig und die Pupillen schienen immer ein wenig von der Seite zu blicken. Die Wimpern schimmerten schwarz wie Holzkohle. Eine feine blaue Tätowierung verlief vom äußeren Augenwinkel bis zu den Schläfen und gab ihren Lidern die merkwürdige Form von Schmetterlingsflügeln. Obgleich sie sich erstaunlich rasch in ihrer neuen Umgebung eingelebt hatte, konnte er das Gefühl nicht loswerden, dass in ihr ein wildes Tier schlummerte …
    Â»Ich mache mir Sorgen um mein Volk«, fuhr Kubichi fort. »Sie werden Hunger leiden …«
    Â»Vielleicht irrst du dich«, sagte Susanoo, um sie zu beruhigen.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann mich irren, doch die Vögel, die irren sich nie.«
    Schritte ertönten. Ein Wächter erschien und verneigte sich.
    Â»Was gibt’s?«, fragte Susanoo.
    Der Wächter trat näher. Er trug eine Taube in der Hand. Susanoo runzelte die Brauen. Er wusste, dass die Taube eine Nachricht aus Tatsuda brachte, und instinktiv spürte er, dass es nichts Gutes war.
    Susanoo winkte einen Diener mit einer Fackel herbei. Vorsichtig nestelte er den Zylinder los, der mit dem königlichen Siegel versehen war. Die Rolle aus fast durchsichtigem Pergament war mit feinen Schriftzeichen bedeckt. Susanoo las die Botschaft. Kubichi sah, wie seine Züge sich veränderten. Sie suchte fragend seine Augen, doch er blickte nicht auf. Mit finsterem Gesicht las er die Botschaft noch einmal. Endlich bewegten

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