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Im Zeichen der blauen Flamme

Titel: Im Zeichen der blauen Flamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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bei der Zubereitung des einfachen Mahles; sie redete nicht viel. Die Anzüglichkeiten der Männer prallten an ihrer Zurückhaltung ab.
    Um die Windstöße abzuhalten, waren große Stoffbahnen aufgespannt worden; ihr Flattern erfüllte die Luft. Plötzlich, als eine kurze Windstille eintrat, drang ein lang gezogener Heulton durch die Finsternis. Er kam aus der Ferne, schwoll an und verebbte, gleich dem Stöhnen des Windes oder dem Hohngelächter unsichtbarer Gespenster. Die Pferde wieherten schrill, bäumten sich auf und zerrten an ihren Stricken. Die Männer sprangen auf und griffen nach ihren Waffen. Im Schein der Flammen tauschten Susanoo und Kubichi einen Blick.
    Â»Wölfe!«, flüsterte die junge Frau.
    Von Neuem ertönte der Klageruf, näher jetzt, als triebe er mit der Geschwindigkeit des Windes über die kahle Ebene.
    Â»Das Feuer wird sie fernhalten«, sagte Susanoo. Er befahl den Männern, die Flammen zu schüren. Das Feuer stieg knisternd in die Höhe. Funken sprühten.
    Â»Sie werden heute Nacht nicht angreifen«, sagte Kubichi. »Sie finden andere Beute. Doch beim ersten großen Schnee werden sie uns nachspüren …«
    Â»Wir werden sie schon abwehren«, sagte Susanoo. »Wir sind gut bewaffnet.«
    Später streckten sie sich, in ihre Mäntel gewickelt, am Boden aus. Die schwarzen Umrisse der Wachen hoben sich im flackernden Halbkreis der Flammen ab. Ein Mondsplitter wanderte über den Himmel. Susanoo hörte neben sich Kubichis gleichmäßigen Atem. Er vernahm die Geräusche der Nacht, und es waren feindliche Stimmen, die zu ihm sprachen. Rinas Warnung ging ihm nicht aus dem Sinn. Lange Zeit fand er keinen Schlaf …
    Gegen Morgen verflüchtigte sich der Nebel. Als die Reiterschar das Lager verließ, blitzte der erste Sonnenstrahl wie eine weiß glühende Klinge über den Gipfeln auf. Der Himmel glänzte eisig grün wie Jade. Als die Sonne höher stieg, überzog das Licht die Bodenwellen und gab der endlosen Fläche das Aussehen eines versteinerten Meeres.
    Plötzlich rief Kubichi mit eigenartiger Stimme: »Siehst du die Vögel?«
    Tausende von Raben, Krähen, Bussarden, Kranichen zogen in Schwärmen über die Ebene hinweg. Im Wechselspiel von Licht und Schatten schienen sie zugleich durch die Luft wie auch über den Boden zu gleiten. Das Schwirren, Schreien und Krächzen kam von allen Seiten. Die Pferde wieherten, bäumten sich auf vor Angst, schlugen aus, drehten sich im Kreis. Wie Drachen der Vorzeit taumelten die Vögel über das Reiterknäuel hinweg.
    Kuri-Uma, Susanoos ungestümer Hengst, versuchte auszubrechen. Schaum tropfte aus seinem Maul. Susanoo hielt ihn mit eiserner Hand zurück. Er lenkte das erregt schnaubende Tier an Kubichis Seite und rief: »Was spürst du im Wind?«
    Â»Die Vögel fliehen!« Kubichis Stimme überschlug sich. »Der große Schneesturm naht!«
    Susanoo stieß einen grimmigen Fluch aus. Er riss sein Pferd herum und winkte Eisai. Der junge Krieger, hinter dem Masumi im Sattel saß, sprengte heran.
    Â»Wie weit ist es noch bis zum Akagama?«, rief er dem Mädchen zu.
    Sie schirmte die Augen mit der Hand ab. Ihre Lippen waren weiß vor Kälte. »Wir werden ihn sehen, bevor die Sonne versinkt.«
    Susanoo rammte seinem Pferd die Fersen in die Flanken. »Los, vorwärts!«
    Die Steinwüste wurde zusehends schmaler. Die beiden Bergketten schienen zusammenzurücken, und nach geraumer Zeit öffnete sich vor ihnen ein Pfad, der an Felsen, hoch wie Türme, vorbeiführte. Die Sonne funkelte bleich und kühl, während der tiefblaue Himmel in schreckenerregendem Glanz erstrahlte. Der scharfe Wind pfiff wie eine Flöte aus Stein und riss die Reiter fast vom Pferd. Halb betäubt, mit stockendem Atem, ritten sie dahin. Der Pfad stieg mehr und mehr an. Immer höher wuchs der Kranz der Berge, Mauern aus Glut und Granit. Aus unsichtbaren Höhen stürzten Gießbäche auf glattes Gestein: Es war, als ob Gischt wie lange Seidenschleier über die Felsen herabfiel. Schon lagen die östlichen Hänge im Schatten, als sich der schmale Pfad mit einem Male weitete. Vor ihnen erhob sich ein riesiges Hufeisen rötlich schimmernder Berge.
    Auf Masumis Wunsch brachte Eisai sein Reittier neben dem König zum Stehen. Das Mädchen streckte die Hand aus und wies auf eine purpurne Bergspitze, umgeben

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