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Im Zeichen der blauen Flamme

Titel: Im Zeichen der blauen Flamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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auf dem Rücken. Dann holte er eine Pferdeleine, machte eine Schlinge, legte sie um den Hals des Alten und befestigte das andere Ende an seinem Sattel.
    Â»Steh auf!«, herrschte er den Gefangenen an. Der Alte erhob sich. Sein Kopf baumelte hin und her. Noch war er nicht völlig bei Bewusstsein, doch schon zuckte wie ein Blitzstrahl sein tückischer Blick auf. Seine Stimme war wie ein heiseres Flüstern, als er sich dem König zuwandte.
    Â»Die Erdmutter wird es zu verhindern wissen … dass du ihre Berge und Höhlen entweihst, wenn du ihr nicht ein Menschenopfer darbringst. Sie dürstet nach Blut … nach frischem, gesundem Blut. Eine Frau muss sterben. Entscheide dich! Oder die Berge werden dich vernichten …!«
    Ein seltsamer Laut wurde hörbar, ähnlich wie ihn wohl ein Mensch ausstößt, wenn ihm ein Speer aus der Todeswunde gezogen wird. Der Laut war Masumi über die Lippen gedrungen. Sie hatte ihr Gesicht abgewandt und die Stirn gegen Eisais Schulter gedrückt. Kubichis Blick wanderte zu ihr hinüber. Doch sie sagte kein Wort. Die Männer schwiegen, die Waffen griffbereit, und erwarteten weitere Befehle. Die Sonnenkugel verschwand hinter den Berggipfeln. Der Himmel glänzte wie Rubin und das Hochtal schien mit glühender Kohle überstreut.
    Â»Vorwärts!«, sagte Susanoo. Seine ruhige Stimme stand im krassen Widerspruch zu der Wut, die in seinen Augen blitzte. Kijama schwang sich in den Sattel. Der Alte schwankte und fiel auf die Knie, doch er stand schon wieder auf den Beinen, bevor die Leine ihn schleifte. Die Reiter setzten sich in Bewegung und der Alte stolperte hinter ihnen her.

7
    D ie Dämmerung kam schnell. Der Horizont schien sehr nahe und sein dunkler Ring hielt diese Welt von Purpur und Dunkelblau in bedrückender Umarmung. Bald brach die Finsternis herein. Sie suchten einen geeigneten Platz zum Übernachten und fanden eine Felsenhöhle, die Menschen und Tieren geeigneten Schutz bot. Der Alte wurde zu Boden geworfen. Man fesselte ihm die Fußgelenke und ließ ihn liegen. Er murmelte vor sich hin, zerrte an seinen Fesseln und stieß ab und zu sein meckerndes Lachen aus. Der Wind trug Kubichi seine Wortfetzen entgegen. »Bald wird der Schnee fallen … es schneit schon! Pflanzen und Tiere werden erfrieren … und viele Menschen auch!«
    Kubichi legte Susanoo die Hand auf den Arm. »Sieh nur!«, sagte sie halblaut.
    Er folgte ihrem Blick, der auf die Felsöffnung gerichtet war. Ein leichter Schneevorhang wehte bis ans Feuer. Der Alte stieß ein Kichern aus, das in ein Blubbern überging. Die Glut beleuchtete sein Gesicht. »Ich habe dich gewarnt, König von Izumo! Die Erdmutter wird sich weigern, dir die aus ihrem Schoß geborenen Kinder zu schenken, wenn du dem Schmelzofen nicht eine Braut zuführst …«
    Die »Kinder« der Erdmutter waren die Metalle. Trotz seines glühenden Hasses wurde sich Susanoo bewusst, dass sie eine gemeinsame Sprache hatten: Es war die uralte Sprache der Schmiede, die in jenen Zeiten ihren Ursprung nahm, als die Menschen noch an einen Himmel aus Stein glaubten.
    Er ballte seine Hände zu Fäusten. »Man bringe ihn zum Schweigen!«
    Kijama stieß dem Alten seinen Speerschaft in die Rippen. Der Mann kippte nach vorne und spuckte Blut. Masumi drückte sich gegen die Felswand. Sie begegnete Kubichis Blick mit dem verzweifelten Ausdruck eines gefangenen Tieres.
    Â»Beruhige dich«, sagte die junge Frau lächelnd. »Du hast von ihm nichts zu befürchten …«
    Masumis Lippen zuckten. Sie antwortete mit fremder, gleichsam wie aus der Ferne klingender Stimme: »Hörst du es nicht, Königin? Seine Worte rufen den Tod herbei …«
    Kubichis Lächeln erlosch. Ihr Blick wanderte über die Männer, die in stummer Bedrückung das Feuer schürten. Jene böse Macht, die der Alte ausstrahlte, durchdrang ihre Körper wie der Bodenfrost.
    Der Schnee fiel immer dichter. Der heulende Sturm übertönte jedes Geräusch. Sie husteten und erstickten fast im Rauch, der die Höhle wie Nebel durchzog.
    Später in der Nacht erwachte Susanoo. Es hatte sich etwas in seiner Nähe bewegt und er wandte den Kopf. Kubichi kniete regungslos an seiner Seite. Ihr Fellumhang schimmerte golden im Licht der verglimmenden Holzkohle.
    Â»Du hast unruhig geschlafen«, flüsterte sie. »Seltsame Worte hörte ich dich sagen.«
    Â»Warum

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