Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)
aus, statt sie in sich hineinzufressen.“
„Ich würde am liebsten alles vergessen.“ Sie kamen am wachsenden Holzhaufen an und begannen den Wagen zu entladen. Die Innenflächen von Alankas Handschuhen wurden dünn, sie würde sich bald einen Splitter einfangen, wenn sie nicht aufpasste. Aber dann würde sie wenigstens etwas fühlen.
„Wir werden es nie vergessen.“ Elora stöhnte, als sie einenArmvoll Holz ablud. „Wir können versuchen, uns abzulenken, aber unsere Körper werden sich immer erinnern.“
„Was meinst du damit?“
„Jeden Tag kommt jemand zu mir, der an Herzrasen leidet oder kalten Schweißausbrüchen oder beidem. Oder sie können nachts nicht schlafen, weil sie den nächsten Angriff erwarten.“ Sie rieb die Hände aneinander. „Was ist mit dir, Alanka? Dich habe ich in meiner Praxis noch nicht gesehen. Wie geht es dir?“
Alanka zuckte mit den Schultern. „Ich habe zu viel zu tun. Keine Zeit, mir über Dinge Gedanken zu machen, die ich nicht kontrollieren kann. Wenn ich ins Bett gehe, bin ich von den Kampfübungen so müde und geschunden, dass ich nicht mehr wach liegen kann, um mir Sorgen zu machen.“
„Ich habe Ladek und Drenis gesagt, sie sollen mit denen, die keine Krieger sind, sanft umgehen. Ihr tut euch noch weh.“
Schön wäre es, dachte Alanka.
Elora drehte den leeren Wagen um. „Wenigstens hat der Rettungstrupp es bis nach Leukos geschafft, wenn man den Falken glauben kann.“
Alanka hätte von der Nachricht, die die neueste Truppe Asermonier nach Kalindos gebracht hatte, ermutigt sein sollen. In ihrer Vorstellung allerdings war Leukos ein klaffender Schlund, der nur darauf wartete, Adrek und die anderen Retter gemeinsam mit den Gefangenen zu verschlingen.
„Wie geht es auf der Jagd?“, fragte Elora.
„Weiß nicht.“ Mit ihren Mokassins schlurfte Alanka durch den Dreck. „Ich habe meistens Fallen gelegt.“ Sie wollte nicht zugeben, dass sie seit fast einem Monat keinen Bogen mehr angefasst hatte. Das würde zu Fragen führen, die sie nicht beantworten konnte.
„Elora!“
Sie drehten sich beide um und sahen den jungen Lehrling der Otterfrau, Pirrik, der auf sie zutrottete. Er verlangsamte seine Schritte, als er in ihre Nähe kam.
„Keine Sorge, es ist kein Notfall“, sagte er schwer atmend. „Einer der asermonischen Otter will deine Vorräte mit dirdurchgehen, um zu sehen, was sie bei ihrem nächsten Besuch mitbringen sollen. Ich dachte mir, das kannst du besser beurteilen als ich.“
Elora warf einen misstrauischen Blick auf ihren Lehrling und Alanka. „Ich bin gleich wieder da.“
Pirrik blieb zurück und hob die Wagendeichsel an, die Elora hatte fallen lassen. „Ich helfe dir mit dem Holz.“
Alanka nickte einmal und sagte nichts.
Sie zerrten den Wagen schweigend hinter sich her, bis sie in Sichtweite des Feuerrings kamen – oder dem, was einmal der Feuerring sein würde, wenn erst alle Bäume gefällt waren und man den Graben ausgehoben hatte. Alanka entdeckte Vara, die asermonische Schlange, die den Männern, die die Bäume fällten, Anweisungen erteilte. Ihre Schlangengabe der ersten Phase erlaubte es ihr, das Ausbreiten von Feuer zu kontrollieren, was sie zu einem Experten in dieser Art der Verteidigung machte. Wenn der Ring erst gebaut wäre, könnte Kalindos ihn anzünden, um Eindringlinge abzuhalten. Jedenfalls theoretisch.
„Das hätten wir schon vor Jahren machen sollen.“ Alanka zeigte auf den Ring. „Lorek hätte ihn bauen können.“ Die kalindonische Schlange war von den Nachfahren geraubt worden, wie so viele andere. „Mit einem Feuerring wäre es vielleicht gar nicht erst zu der Invasion gekommen.“
„Die Leute hatten zu viel Angst, dass uns noch eine Feuersbrunst auslöscht.“ Er sah sich zu ihr um. „Tut mir leid.“
Sie schluckte bei der Erinnerung an den Waldbrand, der vor über einem Jahrzehnt ihre Mutter das Leben gekostet hatte. „Das alles erinnert mich an damals und wie leer das Dorf gewesen ist. Haben wir ein Spiel aus dem Feuer gemacht? Ich erinnere mich nicht.“
„Ein Spiel?“
„Wie diese Kinder, die alles noch einmal durchleben, wieder und wieder.“
„Oh. Thera, glaube ich, schon. Sie war erst fünf.“
„Ich kann nicht glauben, dass deine Schwester sechzehn ist und schon in ihrer zweiten Phase als Falke.“
„Es ist eine große Verantwortung.“ Er blieb stehen und brachte die quietschenden Räder ebenfalls dazu, anzuhalten. „Sie ist nicht wütend auf dich. Ich weiß, dass sie dich
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