Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)
tröstliche Macht Essen haben konnte.
Sie gingen auf das Dorf zu, wo sie in den Straßen noch mehr Menschen erwarteten. Ein großes offenes Zelt war vor dem Rathaus von Velekos errichtet worden. Rhia knurrte der Magen, als sie die herzhaften Düfte wahrnahm, und sie wünschte, die Menschenmenge würde sie schneller durchlassen.
Sie sah Marek an. „Ich wollte fragen, ob wir uns erst waschen können, aber jetzt, wo wir hier sind …“
Er lächelte verschmitzt. „Es wäre unhöflich, nicht wenigstens einen Bissen zu essen.“
„Nur einen Bissen.“
Sie aßen und tranken den ganzen Nachmittag lang, unterhielten sich mit vollkommen Fremden, die sie willkommen heißen und Nilik begrüßen wollten, der den ganzen Trubel verschlief.
Endlich, nach dem Abendessen, konnte sie mit Damen allein über die Höhle im Grauen Tal sprechen. Er rieb sich den Kiefer, während er zuhörte, und erstarrte, als er ihre Beschreibung der feuchten saugenden Masse hörte.
„Sollten wir die Ungeborenen an einen anderen Ort bringen?“, fragte er sie. „Und wenn ja, wohin?“
„Ich glaube nicht, dass wir sie bewegen können. Sie schienen wie ein Teil des Landes selbst zu sein. Und ich hatte nicht das Gefühl, dass sie unglücklich sind. Auch nicht glücklich, einfach nur … dort.“ Nervös scharrte sie mit den Füßen. „Es ist schwer zu erklären, aber sie fühlten sich nicht wie Menschen an.“
„Wie konnte der Sohn der Senatorin ihr ein Seelenteil stehlen, wenn er kein Mensch war?“
„Vielleicht hat sie es ihm gegeben. Vielleicht dachte sie, er würde so am Leben bleiben.“
Damen fuhr sich mit den Zähnen über die Unterlippe. „Ich denke, ich hätte für Corek das Gleiche getan. Nicht bewusst natürlich.“
„Wir versuchen alle mit Krähe zu handeln, ob wir es wollen oder nicht.“
Damen schwenkte das Getränk in seinem Becher. „Und es funktioniert nie.“ Er nahm einen großen Schluck und stellte den Becher beiseite. „Wer von uns das nächste Mal mit ihm spricht, muss ihm viele Fragen stellen.“
Die Geiger stimmten einen Tanz an, und Rhia spürte, wie ihr eine Hand auf die Schulter gelegt wurde.
Marek küsste sie auf den Kopf. „Ich bestehe darauf, dass du nicht mit mir tanzt.“
Sie lachte und stand auf, um mit ihm zu gehen, obwohl Essen, Trinken und die Reise sie müde gemacht hatten. Erst fühlte es sich seltsam an, zu tanzen und sich nur zu bewegen, weil man Freude daran hatte, aber die Musik verlieh ihr eine Kraft, die sie seit Monaten nicht gespürt hatte. Sie tanzten das erste Lied gemeinsam und wechselten dann mit jeder neuen Melodie den Partner, wie es in Kalindos Sitte war. Die Velekonier waren zuerst verwirrt, gewöhnten sich aber bald daran.
Als der Abend hereinbrach, saß Rhia mit ihrer Familie und der von Damen zusammen und verspeiste den letzten Rest von Beeren mit Schlagsahne. Lycas erzählte einer Gruppe neugieriger Velekonier die Geschichte von ihrer Flucht. Mit jedem Becher Bier wurden die Geschehnisse erstaunlicher und abenteuerlicher.
„… und dann haben die Krähen uns davongetragen“, erzählte er seinen erstaunten Zuhörern.
„Wie haben sie das gemacht?“, fragte eine grauhaarige Frau skeptisch.
„Ihnen sind natürlich Flügel gewachsen, die groß wie Pferde waren“, sagte Lycas, „und sie haben uns alle in eine riesige Decke gewickelt, die aus … aus Rosenstielen gemacht war. Damit sie sich daran festhalten konnten.“ Er nickte ernsthaft.
„Was sind Rosen?“, wollte jemand anderes wissen.
„Schreckliche Pflanzen“, sagte Marek, „mit Dornen, die nach einem stechen, wie Schlangen in einer Grube.“ Er und Lycas sahen sich grimmig an. „Das war eine schreckliche Reise in dieser Decke.“
Als die Velekonier davonschlenderten, um die Geschichte zu verbreiten, lachten Lycas und Marek zusammen.
„Das sollte sie eine Weile beschäftigen“, bemerkte Lycas, nachdem er den letzten Rest seines Nachtischs verspeist hatte.
„Wann geht ihr zurück nach Ilios?“, fragte Tereus ihn.
„Sofort.“ Lycas ließ seinen Blick noch einmal über die Menge schweifen, als erwartete er, dass Mali und Sura daraus auftauchten. Tereus hatte ihnen erzählt, dass Mali sich geweigert hatte, ihre Tochter zu ihm zu bringen, nachdem sie herausgefunden hatte, dass Lycas wieder aufbrechen wollte. Rhia plante, sich eindringlich mit ihrer alten Erzfeindin zu unterhalten, und zwar in einer Art, die sie vor ihrem eigenen Vater nie über die Lippen brächte.
Tereus nickte. „Ich werde Adrek
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