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Im Zeichen der Menschlichkeit

Im Zeichen der Menschlichkeit

Titel: Im Zeichen der Menschlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schomann
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spezielle Software verknüpft die einzelnen Bereiche. Ein Assistent führt online das Einsatztagebuch, so dass alle angeschlossenen Stellen auf dem neuesten Stand sind. Lange trägt er nur Routine-Informationen ein, ansonsten »keine besonderen Vorkommnisse«. Abgesehen von einem Fernsehmoderator, der mit Kreislaufproblemen kämpft, oder einem Polizisten, der seine Finger im Absperrgitter eingeklemmt hat. Dann allerdings laufen drei Notfälle fast gleichzeitig ein. Der erste (»Jecke von Taxi erfasst«) ist noch kaum eingegeben, da läuft schon der zweite auf (»Attacke mit Pfefferspray«). Wenig später melden die Sanitäter in einem unmittelbar an der Strecke gelegenen Haus einen Herzinfarkt. Der Rettungswagen kann nicht vorfahren, daher tragen sie den Mann zur nächsten freien Straße. Die Verständigungskette ist streng hierarchisch: Die Einsatzleitung kommuniziert mit den Abschnittsleitungen, die ihrerseits mit den Unterabschnitten, die wiederum mit den Truppführern. Von dort gehen Nachrichten auf dem gleichen Weg zurück nach oben. Nach einem Funkspruch des Rettungswagens tippt der Assistent wenig später den lakonischen Nachtrag zum dritten Notfall ein: »Exitus.«
    Am Nachmittag wechselt Isabel Diener ins Szeneviertel rund um die Zülpicher Straße. Früher war das Rote Kreuz dort nur mit einem Krankenwagen präsent. Doch dann explodierte eine Fritteuse in einem Dönerladen, und seither ist doch eine stärkere Präsenz erwünscht. Vor einer Kirche haben zehn Helfer ein geräumiges Behandlungs- und Ruhezelt aufgebaut, dazu einen kleinen Aufenthaltsraum für sich selbst. Indem sie die minder schweren Fälle an Ort und Stelle behandeln, entlasten sie Leitstelle, Krankenhäuser und Rettungsdienste.
    Die häufigste Notsituation ist die Frage nach einer Toilette. Die Helfer dolmetschen auch mal oder leisten Kostümhilfe mit Heftpflaster, puhlen Ohrstöpsel heraus und verarzten leichte Blessuren. Sie gehen aber auch selbst hinaus ins Getümmel und durchkämmen die Seitenstraßen. Meist brauchen sie nicht lange zu suchen, bis sie eine »hilflose Person« aufgabeln – einen apathischen jungen Mann etwa, der stark alkoholisiert in einem Hauseingang hockt. Er ist benommen, aber noch ansprechbar, und so geleiten sie ihn zur Ausnüchterung ins beheizte Zelt. Im Jahr zuvor haben sie dagegen einen bewusstlosen Mann gefunden, der mit Verdacht auf K.-o.-Tropfen sofort ins Krankenhaus kam. Bis drei Uhr nachts sind Isabel Diener und ihre Kollegen auf den Beinen. Sie haben durchaus ihren Spaß am Rosenmontag, auch ohne Alkohol und Drogen.
    Am nächsten Morgen zieht die Einsatzleitung Bilanz. Eine Frau wurde von einem Pferd getreten, als sie Pralinen vom Boden aufheben wollte. Ein Betrunkener sprang nackt in den Rhein und konnte nur mit knapper Not geborgen werden. Insgesamt sind rund 350 Rettungseinsätze angefallen, erfreulich wenig angesichts von einer Million Teilnehmern. Der Sprecher der Feuerwehr betont: »Ohne den Einsatz der ehrenamtlichen Hilfskräfte würde es den Karneval in der Form, wie ihn alle kennen und die meisten lieben, nicht geben.«
    Draußen in der Halle
    Seit sie sich in den neunziger Jahren dazu durchrang, Frauen aufzunehmen, hat auch die Bergwacht keine Nachwuchsprobleme mehr. Und seit sie kürzlich in Bad Tölz ein weltweit einmaliges Simulationszentrum in Betrieb genommen hat, ist die Ausbildung noch attraktiver geworden, und sicherer und billiger dazu. Anfangs hat man die Bayern freilich für verrückt erklärt: Hallentraining am Hubschrauber sei so sinnvoll wie Trockenschwimmen für die Wasserwacht. Doch mittlerweile übt nicht mehr nur allein die Bergwacht in dem zwanzig Meter hohen Hangar, auch Feuerwehr, Polizei und Seilbahnbetreiber aus halb Europa nutzen die Anlage. An einem halben Dutzend Stationen können sie die Bergung eines Gleitschirmfliegers aus einem Baum ebenso nachstellen wie die Evakuierung eines Sessellifts.
    Wie eine tonnenschwere Marionette hängt ein ausgemusterter Hubschrauber an Seilen unter einem Portalkran. Nur dass der Puppenspieler das Luftfahrzeug per Fernbedienung kreuz und quer durch die Halle schickt. Die Rotoren wurden amputiert, sonst aber ist alles so wirklichkeitsnah wie möglich. Vorne sitzt der Pilot, hinten kauert der Helfer an der Winde. Blitzende Leuchtdioden imitieren die Sonneneinstrahlung, Ventilatoren machen tüchtig Wind. Über Lautsprecher dröhnt das Crescendo der Turbinen. Verständigung ist nur über Funk und durch Handzeichen möglich.
    Bislang war

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