Im Zeichen der Menschlichkeit
Spritzen, Sauerstoff, Atemsonde und Halskrause. Hochwassereinsätze gehören für die Wasserwachten entlang der Donau zur Routine. Sie bringen Ärzte, Hilfspersonal und Material zum Einsatzort und evakuieren umgekehrt Bewohner, die vom Land aus nicht mehr erreichbar sind. Jedes Mal sind einige darunter, die ihr Eigentum partout nicht im Stich lassen wollen und die Happach dann zu überzeugen versucht: »Es wäre jetzt an der Zeit. Es handelt sich nicht nur um Sachwerte – es handelt sich um Ihr Leben.« Die Namen der Unbelehrbaren schreibt er sich auf. »Da wissen wir dann schon, wo wir als Erstes wieder hinmüssen.« Der letzte Großalarm im Juni 2013 lief glimpflich ab. Fünf Tage lang sicherten die Schnelleinsatzgruppen der Wasserwacht vor allem die Helfer der Feuerwehr und die Installation der Hochwasserwände. Die hielten den Fluten stand, weshalb die Stadt weniger als sonst in Mitleidenschaft gezogen wurde. Dank frühzeitiger Räumung gerieten auch kaum Menschen in Gefahr.
Einen Höhepunkt der Jugendarbeit in der Wasserwacht bilden, wie zuletzt in Neu-Ulm, die jährlichen Landesmeisterschaften. Aufgeteilt in drei Altersstufen, messen sich dort 180 Kinder und Jugendliche in dreißig Teams. Sie übernachten auf Tragen und Luftmatratzen in einer Schule, in der dann auch die Übungen zur Ersten Hilfe stattfinden. An mehreren Stationen werden die jungen Helfer mit nachgestellten Unfällen konfrontiert. Zwei Schüler mimen jeweils die Verletzten. Während ältere Jugendliche sie instruieren (»Zwei Beachvolleyballer sind zusammengeprallt und liegen benommen am Boden«) und hingebungsvoll schminken (»Hämatom linke Schläfe, blaue Lippen, Blässe im Gesicht«), warten die Prüflinge ungeduldig vor dem Klassenzimmer. Dann kommen sie ohne Umschweife zur Sache. Sie setzen den Notruf ab, bringen die Verletzten in Seitenlage, entfalten die Wärmefolie. Um die Opfer bei Bewusstsein zu halten, binden sie sie in ein Gespräch ein:
»Was ist dein Lieblingstier?«
»Meine Katze.«
»Wie sieht die aus?«
»Schwarz.«
»Und wie heißt sie?«
»Mir ist schwindlig …«
Die Retter reden auch dann noch unablässig weiter, als die Verletzten programmgemäß das Bewusstsein verlieren. Beide überleben. Zum Abschluss erfolgt die Auswertung durch die Betreuer, mit viel Ermunterung und ein paar kleinen Kniffen fürs nächste Mal.
Am Nachmittag steht im Hallenbad der Wettstreit der Wasserratten an. Staffelrennen auf fünf Bahnen: Das Becken brodelt, die Kinder schwimmen wie die Fischotter. Mal mit Flossen, mal leicht bekleidet, um einen Notfall zu simulieren, mal durch Reifen tauchend, mal einen Ertrinkenden schleppend. Ein Brüllen und Tosen erfüllt die Halle, die Mitstreiter feuern ihre Teams an, auch Schiedsrichter, Zeitnehmer und Betreuer fiebern mit. »Bleibt dran, Leute!« Sie kraulen, als gälte es das Leben. Und im Ernstfall gilt es das ja auch. Bei der Siegerehrung gibt es dann viel Lob für alle. Als die Organisatoren fragen, was man denn in Zukunft besser machen könnte, lautet die erste Antwort: »Noch mehr Wettbewerbe!«
Zusätzlich zu diesen klassischen Wettbewerben, die in West wie Ost immer schon populär waren, sorgt speziell das Jugendrotkreuz seit den neunziger Jahren auch mit großen Kampagnen für Impulse in der Nachwuchsarbeit. In Abstimmung mit den entsprechenden Leitgedanken des Internationalen Komitees und der Föderation, der früheren Liga der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften, waren die ersten derartigen Aktionen dem Kampf gegen Landminen und gegen Kindersoldaten gewidmet. 2012 startete eine Kampagne für den Klimaschutz. Unter dem Motto »Klimahelfer. Änder’ was, bevor’s das Klima tut« sollen Jugendliche in ihrem jeweiligen Umfeld aktiv werden und sich mit der Problematik des Klimawandels und der Klimaanpassung auseinandersetzen.
Die Kampagne läuft bundesweit über mehrere Jahre. Passend zum großen Jubiläum des Roten Kreuzes 2013 hat sich das Jugendrotkreuz in Thüringen vorgenommen, 150 Bäume zu pflanzen – einen für jedes Jahr. Was, wie André Günther in Stadtroda erfahren hat, gar nicht so leicht zu bewerkstelligen ist. »Man darf nicht einfach irgendwas irgendwo hinpflanzen. Der Baum muss ins Stadtbild passen, Schattenwurf und Wurzelwuchs sind zu bedenken, alle möglichen Vorschriften zu beachten.« Schließlich wurde dem vier Meter hohen Birnbaum ein idyllisches Plätzchen am Ufer der Roda zugewiesen. Zum internationalen »Tag des Baumes« am 25. April gruben Mitglieder
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