Im Zeichen des Adlers
kann, die sich in ihrem Alltag wie Maden im Speck winden, bin ich eine Gefahr für diesen Seelensauger und seinesgleichen. Ich kenne die Ursprünge dieser Wesen und wie man sie vernichten kann .
Ruckartig reiße ich mich los und wäre fast zusammengebrochen. Meine eigene Erschöpfung läßt heißes Entsetzen in mir hochwallen. Im letzten Moment klammere ich mich am Geländer der Treppe fest, die wir bereits erreicht hatten und die nach unten führt.
»Ich . kann allein gehen . danke .« Die Schwerfälligkeit, mit der die Worte über meine Lippen dringen, macht mir die tödliche Enge klar, in die ich mich selbst mit meinem Heißsporn getrieben habe. So lange jage ich sie nun schon, und doch stecke ich nun in dieser aussichtslosen Lage!
»Allein gehen?« Die boshafte Stimme zieht jede Silbe übertrieben in die Länge. »Wir wollen doch nicht, daß Sie stolpern und sich das Genick brechen, oder?« Der lippenlose schwarze Mund verzerrt sich zu einem hämischen Grinsen.
Keuchend ringe ich nach Luft. Alles dreht sich vor meinen Augen. Die Sonne, die Hitze, das Hupen der Autos, all das vereinigt sich zu einem mächtigen Sog, der mich in die Tiefe der totalen Erschöpfung reißen will. Meine Lider sinken schwer hernieder. Schlafen . nur noch schlafen .
NEIN!
Panisch beiße ich mir die Unterlippe blutig. Der Schmerz mobilisiert meine letzten Kraftreserven. Unbeholfen nehme ich die erste Stufe der Treppe; die Gesichter der entgegenkommenden Personen verschwimmen wie eine Landschaft hinter einer verregneten Windschutzscheibe.
Dicht hinter mir ertönt wieder die Stimme meines Gegners.
»Sie sollten besser nicht allein laufen«, flüstert er mit stinkendem Atem in mein Ohr. »Es könnte böse enden ...« Und wieder fühle ich seine toten Finger, die sich wie Blutegel in meine Schulter bohren.
Mit einem heiseren Schrei torkele ich die Stufen hinab. Es ist mehr ein Fallen als eine bewußtes Gehen. Dabei reiße ich beinahe ein kleines blondes Mädchen um. Es starrt mich mit erschrockenen Augen an, aber ich taumele weiter, höre noch die wütende Stimme der Mutter der Kleinen, und der Seelensauger folgt mir ohne Eile. Ich höre das gemächliche Klicken seiner Armani-Schuhe, und wie er sich höflich bei der Mutter und deren kleiner Tochter entschuldigt. Langsam, aber zielstrebig geht er hinter mir her. Er wird mich packen, mich in seinen Armen ermorden, während ich in seine siegreiche Fratze blicke, und er wird dabei verzweifelt nach einem Arzt schreien ...
Blind vor Entsetzen sehe ich unvermittelt den Bahnsteig vor mir. Meine Stirn brennt wie in einem plötzlichen Fieberanfall, und ich weiß, daß ich jetzt handeln muß, sonst werde ich nie wieder handeln können.
Aus dem finsteren Schlund des U-Bahn-Tunnels sehe ich bereits die grellen Lichter des Zuges heranrasen und höre das gequälte Quietschen von Metall und das dumpfe Brausen, mit dem die Waggons die Luft vor sich hertreiben. Trotz meiner bleiernen Schwäche erfasse ich die Lage sofort. Es wird nur noch Sekunden dauern, bis .
Ich drehe mich um. Meine zitternden Hände klammern sich für einen winzigen, starken Augenblick um die Schultern des Seelensaugers, der mir lachend üblen Verwesungsgeruch in die Augen sprüht, und schon fühle ich, wie mich sämtliche Kräfte verlassen.
Doch in diesem allerletzten Augenblick wende mich wieder dem Gleis zu und stoße meinen Feind so weit wie möglich von mir.
Dieser Moment ist wie jener Sekundenbruchteil zwischen Helligkeit und Stromausfall. Schon als ich den Seelensauger wegstoße, flie-ßen jegliche Energiereserven aus mir heraus wie aus einer leckgeschlagenen Wasserflasche. Ich breche zusammen und sehe, wie mein Gegner unter die zermalmenden Räder gerät, sehe, wie seine menschliche Maske in einem blutigen Knall zerstört wird und bilde mir ein, das Reißen der Sehnen und das Knirschen der Knochen sogar durch das Kreischen des Metalls zu hören. Natürlich ist es nur Einbildung, doch eben diese Einbildung treibt mich zum Lachen.
Ja, krächzendes Lachen sprudelt aus mir hervor, unaufhörlich, da ich nicht damit aufhören will.
Der Zug kommt ächzend zum Stehen. Gräßliches Schweigen lastet schwer auf der gesamten Szene. Nur ich lache noch leise. Und in mein krächzendes Lachen hinein mischt sich nun eine Vielfalt von Geräuschen: betäubtes Stöhnen, Stimmengewirr, und all das konzentriert sich auf die langen Blutspritzer am Zug und am Bahngleis.
Jetzt erst begreifen die Menschen. Jetzt erst schleicht sich die
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