Im Zwielicht der Gefühle (German Edition)
wie sehr ihr Lächeln ihn betörte oder wie lebendig er sich bei ihren Schimpftiraden fühlte. Er hatte ihr nie für ihre Liebe und ihren unerschütterlichen Glauben an ihn gedankt.
Oh, er verfluchte den Großmeister und seine Hinterhältigkeit.
Ranulfs Augen glitten voll tiefstem Bedauern zu Valandra. Sie wirkte so unendlich glücklich. Es tat ihm in der Seele weh, dass er sie niemals zum Altar führen würde. Er hatte sich so sehr eine Zukunft mit ihr gewünscht.
„Ich liebe dich“, flüsterte er leise. „Vergiss das niemals.“
„Ich bin ja so froh, dich zu sehen, Papa“, rief Valandra überglücklich und schmiegte sich an Lord Lamonts breite Brust. „Oh, wie habe ich dich vermisst! Aber sag, weshalb bist du hier? Wir vermuteten dich noch immer in Oban.“ Lord Lamont lachte laut auf und presste ihr einen schmatzenden Kuss auf den Scheitel. „Denkst du wirklich, nach all den Monaten in der Fremde würde ich auch nur eine einzige Nacht länger im Freien schlafen, wenn mein Heim so nah ist? Wir haben die Wagen entladen und alle Güter auf Packpferde gebunden, damit wir schneller vorankommen. Nicht weit von hier hatten wir für eine kurze Rast angehalten, als plötzlich dein Detlef angeritten kam und uns mit seinem hysterischen Geschrei schier in den Wahnsinn getrieben hat. Wir mussten ihn in den Fluss werfen, damit er sich endlich beruhigte und wir klare Antworten aus ihm herausbekamen. Als wir erfuhren, was mit dir geschehen war, brachen wir sofort auf.“
„Du bist genau zum richtigen Zeitpunkt erschienen“, flüsterte Valandra überglücklich. Sie konnte es noch immer nicht fassen, dass all die Angst, all die Sorge und die Furcht vor der Zukunft nun endgültig der Vergangenheit angehörten. Ihr Vater war hier. Ranulf liebte sie und wollte, dass sie seine Frau wurde. Konnte das Leben überhaupt noch schöner sein?
„Wo ist er?“, erkundigt sich Lord Lamont. „Ich bin ihm zu großem Dank verpflichtet.“
Valandra wandte sich lächelnd nach Ranulf um, doch sie konnte ihn nicht finden. Seltsam. Sie blickte sich suchend um.
„Vor einer Minute war er noch hier“, erklärte sie leise. Plötzlich erfasste sie ein grässliches Gefühl der Vertrautheit. Es war, als ob sie diese Situation schon einmal durchlebt hätte.
Sie sah sich hektisch um. Der Wald bei Nacht, die Krieger mit den Fackeln, und da war die Anhöhe! Genau wie in ihrem Traum!
Valandras Herz stolperte vor Schreck. Nein, das konnte nicht sein, es durfte nicht sein!
Und doch glitten ihre Augen suchend die Anhöhe hinauf. Ihr Verstand weigerte sich zu glauben, dass ein so übler Traum Wirklichkeit werden konnte. Aber er konnte es.
Valandra schrie entsetzt auf, als sie Ranulf die Anhöhe hinaufsteigen sah. Oben, unter einer mächtigen Tanne, wurde er von Malven erwartet.
„Neiin!“, schrie sie gellend auf, raffte die Röcke und rannte los.
Kapitel 32
Die ersten Vögel waren bereits erwacht und hießen den dämmernden Tag willkommen, als Ranulf schweren Herzens den steilen Hang erklomm. Es war seltsam. So viele Jahre hatte er ohne ein Gefühl der Reue dem Tod entgegengeblickt; es hatte Zeiten gegeben, in denen ihm der Tod wie eine Erlösung erschienen war. Er hatte sich danach gesehnt, endlich Frieden zu finden. Doch nun war alles anders. Eine zierliche, mutige Frau hatte ihm die Freuden des Lebens gezeigt, und mit einem Mal fiel es ihm unglaublich schwer, diesen kostbaren Schatz wieder aufzugeben. Ranulfs Finger schlossen sich zärtlich um Valandras Amulett. Er wünschte sich zu leben, und sei es nur, um ihre Stimme und ihr Lachen noch einmal zu hören. Er wünschte sich die Gelegenheit, sie zu heiraten, zu sehen, wie sich ihr Leib mit seinen Kindern wölbte. Er wollte dabei sein, wenn die Jahre ihre jugendliche Frische in die reife Schönheit des Alters verwandelten.
Aber dazu würde es niemals kommen.
Ranulf blickte auf und sah Malven, der ihn zwischen den Bäumen auf der Anhöhe erwartete.
„Die Zeit ist gekommen“, erklärte dieser schlicht, als er ihn erreichte.
Ranulf nickte. „Habe ich dein Wort, dass du niemandem von ihnen etwas antun wirst?“
„Du hast es. Sie sind vor mir in Sicherheit. Gib mir den Ring der Brüderschaft. Der Großmeister wird ihn sehen wollen.“
Ranulf reichte ihm das Schmuckstück, das so lange Bestandteil seines Lebens gewesen war.
Malven steckte ihn in die Tasche und trat einige Schritte zurück. Sein Gesicht zeigte keinerlei Gefühlsregung. Er stand völlig ruhig da, den Pfeil im
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