Im Zwielicht der Gefühle (German Edition)
werden sollen. Oh, er hatte es sich so herrlich vorgestellt, wie er Valandra in ihrer nackten Schönheit auf den Rosenblättern bettete und ihr seine Liebe gestand. Er wäre vor ihr auf die Knie gesunken und hätte sie um ihre Hand gebeten.
Ranulf schluckte hart, als er sich daran erinnerte, wie glücklich er heute gewesen war. Das Leben war ihm zum ersten Mal wirklich lebenswert erschienen. Vorbei. Er hatte zu lange gewartet.
Das Schicksal hatte wieder einmal höhnisch grinsend seinen Lauf genommen.
„Da kommt jemand“, flüsterte Kasim und presste sich dicht an die Verliestür, damit er durch das schmale Gitter einen Blick nach draußen erhaschen konnte. „Bringt ihn zu dem Riesen und dem Gottlosen“, ertönte eine harte Männerstimme.
Sie hörten ein dumpfes Stöhnen, Schritte und das Geräusch, als ob ein Körper über den Boden geschleift wurde.
„Halte dich bereit“, flüsterte Ranulf zurück und fühlte, wie das Blut vor Aufregung durch seine Adern pulsierte. Endlich bot sich eine Gelegenheit zur Flucht.
Ranulf legte sich wieder auf das Stroh und stellte sich schlafend.
Eine Fackel näherte sich dem Gitter. „Der Kerl ist glücklicherweise noch immer bewusstlos“, liess sich eine der Wachen vernehmen.
„Vielleicht ist er auch tot. Glaubst du, wir sollten mal nachsehen?“, erkundigte sich der zweite Wächter.
„Bist du verrückt? Dem würde ich mich nicht einmal mit dem Schwert im Anschlag nähern. Lass uns bloß schnell machen, bevor er doch noch erwacht.“ Der Schlüssel drehte sich geräuschvoll im Schloss herum, und die Tür ging auf. „Zurück an die Wand!“, befahl der Wachmann Kasim und richtete einen langen Speer auf ihn.
Kasim gehorchte widerstandslos.
„Bring den Hauptmann herein.“
Unter lautem Ächzen zog der andere den bewusstlosen Owen in die Zelle. Dann ging alles rasend schnell. Ranulf sprang auf, packte den Wachmann und brach ihm das Genick, noch bevor dieser einen Laut von sich geben konnte. Gleichzeitig fasste Kasim nach dem Speer des anderen, schleuderte den Mann mit voller Wucht gegen die Wand und rammte ihm die Waffe tief in die Brust. Auch er war auf der Stelle tot.
Ranulf eilte zur Tür und spähte in den Vorraum hinaus, um nach weiteren Feinden Ausschau zu halten.
Da waren keine mehr.
Seltsam, fuhr es Ranulf durch den Kopf. In den Stunden seiner Gefangenschaft hatte er mindestens sechs verschiedene Stimmen gezählt. Aber wo waren sie jetzt? Hatten sie sich unerlaubt von ihren Posten entfernt, oder fühlte sich McGregor gar so sicher, dass er sie selbst abgezogen hatte? „Der Hauptmann sieht übel aus“, verkündete Kasim in seinem Rücken betrübt. Ranulf kniete sich neben Owen und fühlte dessen Pulsschlag. Er lebte, auch wenn er sich vermutlich das Gegenteil wünschen würde, wenn er wieder zu Bewusstsein kam. Sein Gesicht glich einer blutigen Fleischmasse, und auch sein stämmiger Körper hatte einiges an Schlägen abbekommen.
Owen kämpfte gegen seine Benommenheit an und öffnete die Augen. „Sie... ist geflohen.“
Ranulfs Herz tat einen hoffnungsvollen Satz. „Wer?“
„Lady Valandra, sie... ist geflohen.“ Er wollte noch etwas sagen, doch da verlor er bereits wieder das Bewusstsein.
„Allah sei gedankt“, flüsterte Kasim.
Auch Ranulf schloss erleichtert die Augen. Valandra war McGregor, diesem Bastard, entwischt. Vielleicht gab es doch noch eine Gerechtigkeit. Nun war jedoch Eile angebracht. Ihr war zwar die Flucht geglückt, doch sie befand sich noch immer in äußerster Gefahr.
Er erhob sich entschlossen. „Komm, wir dürfen keine Zeit verlieren.“
„Was geschieht mit dem Hauptmann?“
Ranulf zögerte kurz, bevor er entschied: „Um die Burgbewohner kümmern wir uns später. Jetzt müssen wir zuerst Valandra finden.“
Kapitel 30
Die Nacht war so dunkel, dass sie kaum die Hand vor Augen sehen konnten. Der Mond war hinter schwarzen Wolkenbänken verschwunden, und kein Stern vermochte ihnen den Weg durch den Wald zu erhellen.
Ab und zu leuchteten zwischen den Bäumen kleine neugierige Tieraugen auf, doch es war schwer, irgendetwas Genaueres in dieser Finsternis zu erkennen. Ranulf bemühte sich, seine Ungeduld zu zügeln. Die Minuten verstrichen so schleichend wie Stunden, und sie hatten immer noch keine Spur von Valandra entdeckt. Seine Sorge um sie wuchs mit jedem unsicheren Stolpern seines Hengstes. Verdammt, es war so finster, dass sie den Weg nur erahnen konnten. Ein falscher Tritt, und sie würden sich das Genick
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