Imagica
aus den Domänen. Und er griff auf deine Hilfe zurück, wenn er etwas Besonderes brauchte - zum Beispiel Kontakt zu einem Killer. Damit hat alles begonnen, verdammt!
Warum hast du die Frau nicht selbst umgebracht?«
»Wofür halten Sie mich?« Dowd schnitt eine Grimasse.
»Einer Frau könnte ich nichts zuleide tun. Erst recht keiner Schönheit.«
»Woher willst du wissen, ob Judith schön ist?«
»Ich habe von ihr gehört.«
»Nun, mir ist völlig schnuppe, wie sie aussieht. Ich will nur nicht, daß sie sich in meine Angelegenheiten einmischt. Finde heraus, was sie vorhat. Anschließend lassen wir uns irgend etwas einfallen.«
Einige Stunden später kehrte Dowd mit beunruhigenden Neuigkeiten zurück.
»Offenbar hat sie ihn dazu überredet, sie zum Anwesen zu fahren.«
»Was? Was?« Oscar sprang auf. Die Papageien krächzten und schnatterten. »Sie weiß bereits zuviel. Mist! Die ganze Zeit über haben wir uns solche Mühe gegeben, die Tabula Rasa von 279
ihr fernzuhalten, aber das verdammte Weib bringt uns in größere Schwierigkeiten als jemals zuvor.«
»Bisher ist noch nichts passiert.«
»Aber es wird etwas passieren! Judith wickelt Charlie um den kleinen Finger, und dann plaudert er alles aus.«
»Was wollen Sie unternehmen?«
Oscar wandte sich den aufgeregten Papageien zu. »Wenn ein Wunsch allein genügen würde...«, murmelte er und strich behutsam über die Federn der bunten Vögel. »Ich möchte, daß er tot umfällt.«
»Er empfand ähnlich in bezug auf seine Frau«, sagte Dowd.
»Was soll das heißen?«
»Es soll heißen, daß Sie beide fähig sind, jemanden zu ermorden.«
Oscar schnaufte abfällig. »Für Charlie war's kaum mehr als ein Spiel. Er hat einfach keinen Mumm! Ihm fehlt Weitblick!«
Verdrießlich nahm er wieder in dem Sessel mit der hohen Rückenlehne Platz. »Er wird nicht dichthalten, verdammt! Ich spür's ganz deutlich. Bis jetzt lief alles glatt, aber wenn Charlie redet, geht's bald drunter und drüber. Wir müssen ihm irgendwie das Maul stopfen.«
»Er ist ihr Bruder.«
»Er ist eine Last.«
»Ich meine: Da es sich um Ihren Bruder handelt, sollten Sie sichum die Sache kümmern.«
Oscar riß die Augen auf.
»O mein Gott«, hauchte er.
»Stellen Sie sich die Reaktionen in Yzordderrex vor, wenn Sie davon erzählen.«
»Wie bitte? Soll ich mich etwa damit brüsten, meinen Bruder umgebracht zu haben?«
»Sie könnten auf Ihre Entschlossenheit hinweisen, das Geheimnis zu wahren, auch mit sehr drastischen Mitteln.«
Dowd zögerte und gab Godolphin Gelegenheit, darüber 280
nachzudenken. »Ich halte das für ehrenhaft. Stellen Sie sich vor, was man sagen wird.«
»Ich stelle es mir vor.«
»Es geht Ihnen in erster Linie um Ihren Ruf in Yzordderrex -
nicht darum, was hier in der Fünften geschieht, oder? Sie haben mehrmals erwähnt, daß Sie immer mehr das Interesse an dieser Welt verlieren.«
Oscar überlegte einige Sekunden lang. »Vielleicht sollte ich wirklich aufbrechen und nie mehr zurückkehren. Nachdem ich Charlie und Judith umgebracht habe, damit niemand weiß, wohin ich verschwunden bin...«
»Wohin wir verschwunden sind.«
»Oscar Godolphin, der zu einer Legende wird, den verrückten Bruder tot neben der Leiche seiner Frau zurückließ und sich einfach in Luft auflöste. Ja, so etwas macht sicher Schlagzeilen in Patashoqua.« Erneut dachte er nach. »Wie sieht ein klassischer Brudermörder aus?« fragte er nach einer Weile.
»Beim Theater wird er meistens als heimtückischer Böse-wicht dargestellt.«
»Tatsächlich?«
»Vielleicht können Sie der Rolle einige neue Aspekte hinzufügen.«
»Allerdings. Hol mir einen Drink, Dowdy. Und genehmige dir ebenfalls einen. Trinken wir auf die Flucht.«
»Trinken nicht alle Leute, um vor etwas zu fliehen?«
erwiderte der Beschworene. Doch Godolphin überhörte diese Bemerkung und hing mörderischen Gedanken nach.
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KAPITEL 20
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Schon seit sechs Tagen waren Gentle und Pie auf der patashoquanischen Straße unterwegs - die Tage wurden nicht etwa von der Uhr an Pies Handgelenk gemessen, sondern vom schimmernden Himmel angezeigt, der mal hell strahlte, um dann wieder das dunkle Gewand der Finsternis zu tragen. Am fünften Tag gab die Uhr ohnehin ihren Geist auf. Der Mystif vermutete, daß sie dem Magnetfeld einer Pyramidenstadt zum Opfer fiel, die sie unterwegs passierten. Gentle wollte sich auch weiterhin ein Gefühl dafür bewahren, wieviel Zeit inzwischen in der Domäne namens Erde verstrich, aber das
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