Imagica
Judith war der Reiz. Glückseligkeit versklavte seinen Leib; er wußte nicht, wie sie begonnen hatte, und ebensowenig konnte er sich vorstellen, daß sie jemals endete. Lieber Himmel, sie wußte, worauf es ankam! Die ganze Zeit über achtete sie darauf, seine Nerven nicht mit Wiederholungen zu betäuben.
Statt dessen lockte sie Gentles Saft in bereits prall gefüllte Zellen, bis er bereit war, Blut zu ejakulieren, sein Leben für den besten aller Orgasmen zu geben.
Einmal mehr huschte Licht vorbei, und Zacharias verließ den Kosmos, in dem allein das Empfinden existierte. Er war wieder er selbst - der Penis schrumpfte auf eine bescheidenere Länge -, und Judith bestand nicht aus Finsternis, sondern aus lebendem Fleisch, in dem es sonderbar schillerte. So hatte es wenigstens den Anschein. Eine optische Täuschung. Eine Halluzination, geschaffen von Augen, die sich nach Wahrnehmung sehnten.
Doch das eigentümliche Irisieren wiederholte sich, vibrierte durch den Körper und verblaßte. Ob Einbildung oder nicht: Es verstärkte Gentles Verlangen. Er schob die Hände unter Judes Achseln, hob sie hoch und ließ sie wieder neben sich aufs Bett sinken, um sie zu entkleiden. Vor dem Hintergrund des weißen Lakens zeichnete sich ihre Gestalt etwas deutlicher ab, blieb jedoch schemenhaft. Er beugte sich vor, und sie bewegte sich unter ihm, schob ihren Körper seinen Händen entgegen.
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»Ich möchte in dir sein«, wiederholte er und knöpfte die Bluse auf.
Sie lag jetzt still und atmete regelmäßiger als vorher. Gentle entblößte die Brüste und küßte die Warzen, während seine Finger nach unten wanderten, zum Gürtel des Rocks.
Überrascht stellte er fest, daß sich Judith umgezogen hatte und nun eine Jeans trug. Ihre Hände ruhten am Gürtel, wie an einer letzten Barriere. Doch Gentle wollte sich jetzt von nichts mehr aufhalten lassen. Er zog die Hosen an den Hüften herunter und fühlte so glatte Haut, daß sie fast einer Flüssigkeit gleichkam.
Ihr ganzer Leib wölbte sich - wie eine sich vor ihm brechende Welle.
Zum erstenmal nannte sie nun Gentles Namen, zögernd und unsicher, als zweifelte sie in der Dunkelheit an seiner Realität.
»Ich bin hier«, erwiderte er. »Immer.«
»Entspricht dies deinem Wunsch?« fragte Judith.
»O ja«, bestätigte er und tastete zwischen ihre Beine. »O ja -
sehr.«
Es schillerte, heller als vorher, und zurück blieb das Erinnerungsbild weißer Schenkel, während Gentle ihre Scham streichelte. Als neuerliche Dunkelheit heranwogte, vernahm er ein fernes Läuten, erst leise, dann immer lauter. Das Telefon, verdammt! Er gab sich alle Mühe, es zu ignorieren, aber schon bald störte ihn das Klingeln so sehr, daß er nach dem Nachtschränkchen langte und den Hörer von der Gabel stieß.
Sofort wandte er sich wieder Judith zu, die erneut völlig reglos lag. Ungelenk rollte er sich auf sie, und wie mit weichem Samt umhüllte und empfing sie ihn. Jude schloß die Hände um seinen Nacken und hob den Kopf, bot ihm ihre Lippen. Ein langer Kuß folgte, und dabei hörte er, wie sie seinen Namen flüsterte - »Gentle? Gentle?« -, im gleichen fragenden Tonfall wie vorher. Er ließ sich davon nicht ablenken, achtete nur noch darauf, den richtigen Rhythmus zu finden: lange, langsame Stöße. Eine Erinnerung - Judith mochte es, wenn er sich Zeit 110
ließ. Auf dem Höhepunkt ihrer Affäre hatten sie sich in jeder Nacht mehrmals geliebt und zwischendurch geduscht, um es zu genießen, später erneut zu schwitzen. Diesmal war alles ganz anders. Judes Hände verließen Gentles Nacken, glitten ihm über den Rücken, halfen bei jedem Stoß nach. Noch immer hörte er ihre Stimme, selbst durch den Schleier der Ekstase:
»Gentle? Hörst du mich?«
»Ja, ich höre dich«, murmelte er.
Eine neue Flut aus Licht spülte durch sie beide, brachte Lust in einem fast qualvollen Ausmaß. Das Irisieren gischtete über nackte, schweißfeuchte Haut, pulsierte im Takt der Stöße.
»Bist du da?« flüsterte sie erneut.
Wie konnte sie daran zweifeln? War es überhaupt möglich, daß seine Präsenz noch mehr Substanz bekommen könne als jetzt, in ihr?
»Ja, ich bin hier«, antwortete er.
Aber sie wiederholte diese Frage, und schließlich reagierte ein Teil seines Ichs, der nicht in Wonne schwamm. Die innere Stimme der Vernunft flüsterte und wies daraufhin, daß die Frage nicht von der Frau stammte, deren Beine ihn umschlangen, sondern vielmehr aus dem Telefon raunte.
Gentle hatte den Hörer von der
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