Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Imagica

Imagica

Titel: Imagica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
Vom Netzwerk:
Gabel gestoßen, und jemand war am anderen Ende der Leitung, forderte Auskunft. Er lauschte - und erkannte die Stimme. Kein Zweifel: Sie gehörte Jude. Und wenn Jude telefonierte... mit wem schlief er dann?
    Wer auch immer es sein mochte - die Namenlose begriff, daß Gentle sie durchschaut hatte. Ihre Finger bohrten sich noch tiefer in die Haut seines Rückens; gleichzeitig hob sie die Hüften, nahm ihn bis zur Wurzel in sich auf. Schamlippen und Scheidenwände schlossen sich um den Penis, wie um ihn festzuhalten und daran zu hindern, daß er die warme Höhle verließ, ohne sich vorher zu ergießen. Aber er hatte sich gut genug unter Kontrolle, um ihr zu widerstehen. Mit einem Ruck zog er sich zurück, und sein Herz raste wie ein im Kerker 111

    seiner Brust eingesperrter Irrer.
    »Wer bist du, zum Teufel?« entfuhr es ihm.
    Ihre Hände verweilten an seinem Körper. Vorher hatten sie heißes Begehren in ihm geweckt, doch jetzt schufen sie Unruhe und Nervosität. Gentle rutschte zur Seite, um die Lampe auf dem Nachtschränkchen einzuschalten, und die Frau griff nach seinem Penis, strich mit der Handfläche daran entlang. Es fühlte sich so herrlich an, daß Gentle fast der Versuchung erlegen wäre, alle Bedenken zu vergessen und erneut in sie einzudrängen, seine Gier voll auszuleben. Ihr Mund ersetzte die Hand, und das genügte, um Gentle die verlorene Härte zurückzugeben.
    Dann hörte er das Summen aus dem Hörer - die telefonische Verbindung war unterbrochen. Jude versuchte nicht mehr, ihn zu erreichen. Vielleicht hatte sie sein Keuchen gehört - und auch noch mehr. Diesem Gedanken folgte erneuter Zorn. Er packte den Kopf der Namenlosen, drückte ihn von seinem Schoß fort. Was war eigentlich in ihn gefahren? Warum begehrte er eine Person, die er nicht einmal sehen konnte? Und was für eine Hure bot sich auf diese Weise an? Gentle stellte sich eine kranke, mißgestaltete oder psychotische Frau vor...
    Selbst wenn ihn ein abscheulicher Anblick erwartete - er mußte unbedingt Bescheid wissen.
    Zum zweiten Mal griff er nach der Lampe und spürte, wie das Bett erzitterte, als die Unbekannte zu fliehen versuchte. Er berührte den Schalter, doch die Lampe kippte, und ihr Licht strahlte zur Decke empor, verdrängte die Dunkelheit nur teilweise aus dem Zimmer. Gentle fürchtete plötzlich einen Angriff und drehte sich um, doch die Frau hatte bereits ihre Kleidung zusammengerafft und eilte zur Tür. Seine Sinne hatten sich inzwischen so sehr an Finsternis und Schemen gewöhnt, daß sie zunächst nichts mit Licht und deutlich erkennbarer Realität anzufangen wußten. Er nahm die Frau nur als einen Strudel aus sich verändernden Formen wahr: Gesicht 112

    und Körper verschwommen, der Leib eingehüllt in ein langsames schillerndes Pulsieren, das von den Zehen bis zum Scheitel reichte. Nur die Pupillen bildeten Fixpunkte in diesem stetigen Wandel, und sie beobachteten Gentle mit wachsender Aufmerksamkeit. Seine rechte Hand strich von der Stirn bis zum Mund, in der Hoffnung, das Trugbild zu entlarven und zu verscheuchen, und die Frau nutzte jene Sekunden, um die Tür ganz zu öffnen. Er sprang aus dem Bett, noch immer dazu entschlossen, die Wahrheit herauszufinden, doch die Unbekannte war bereits halb durch die Tür geschlüpft. Es gab nur noch eine Möglichkeit, sie an der Flucht zu hindern - er mußte sie am Arm festhalten.
    Welche Macht auch immer seine Sinne verwirrt hatte...
    dieser direkte Kontakt schuf Klarheit. Die wogenden Konturen des Gesichts gewannen eine feste Struktur: Myriaden von einzelnen Komponenten fügten sich wie die Teile eines überaus komplexen Puzzles zusammen und verbargen dabei zahlreiche andere Konfigurationen - sie wirkten einzigartig und atemberaubend, aber auch entsetzlich und grauenhaft - hinter der Schale kongruenter Realität. Gentle erkannte die Züge.
    Lockiges Haar umgab ein Gesicht, das sich durch einmalige Symmetrie auszeichnete. Kleine Narben erinnerten an extern schnell geheilte Wunden. Und die Lippen... »Nichts und niemand«, hatten sie vor einigen Stunden auf die Frage nach der Identität geantwortet. Eine Lüge. Das Nichts war zumindest Killer und Hure gleichzeitig. Und der Niemand besaß einen Namen.
    »Pie'oh'pah!«
    Gentle ließ den Arm des Mannes so plötzlich los, als hätte er sich daran die Finger verbrannt. Die Gestalt vor ihm veränderte sich nicht, was er nun bedauerte. Das halluzinatorische Chaos war außerordentlich beunruhigend gewesen, doch diese Form von Wirklichkeit

Weitere Kostenlose Bücher