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Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Wahrheit auf das Leben wirft. Ich glaube nicht an Zufälle, sondern an kausale Ereignisketten, an Ursprung und Wirkung. Ich fürchte, ich war schon weiter vom Ursprung entfernt, als mir lieb sein konnte.
    KCL war eine Abkürzung. Sie stand für König-Christian-Land, eine Region im mittleren Osten Grönlands. 1102 war ein Datum: der 11. Februar. KCL-1102 war das Kürzel für einen Meteoriten, der am frühen Morgen des 11. Februar auf Grönland niedergegangen sein soll. Obwohl es ein Beben und Videoaufnahmen vom mutmaßlichen Einschlagsblitz gab, wurde nie ein Krater oder sonst ein Beweis für KCL-1102 gefunden.
    Ich musste unweigerlich an einen Satz aus Naunas Brief denken; ein abgewandeltes Sprichwort aus dem Buch Sirach, mit dem sie ihr Schicksal zu deuten versucht hatte: Der Mutter Segen baut den Kindern Häuser – doch des Vaters Fluch reißt sie nieder …

 
2
     
     
    Der Amstrad-Wandbildschirm zog trotz seiner Leere die Augen aller Anwesenden auf sich; erwartungsvolle Blicke, die in ihrer Intensität die diffuse Helligkeit des Raumes wie Strahler zu durchdringen suchten. Eine eigenartige Spannung lag in der Luft, die unter den wenigen Versammelten eine unwirkliche Stimmung erzeugte, als habe man ihre Lebensuhren für wenige Minuten angehalten.
    Ich nickte denen, die bei meinem Eintreten aufsahen, zu und murmelte eine Begrüßung. Dann nahm ich in einem der bequemen, wuchtigen Stühle Platz, legte meine Ellbogen auf die breiten Lehnen, verschränkte die Hände und musterte flüchtig die Gesichter der Versammelten. Außer mir waren fünf weitere Personen zugegen, vier Männer und eine Frau. Alle schienen bemüht, gelassen zu wirken, und sich zufällig begegnende Blicke prallten blitzartig wieder ab. Niemand war mir als Mitarbeiter des Instituts vertraut, was mich vermuten ließ, dass auch sie von Broberg geladen worden waren. Der eine oder andere bündelte Loseblattansammlungen und Schnellhefter vor sich, und bis auf einen älteren Herren, der seine Beine übereinandergeschlagen hatte und mit geschlossenen Augen und auf der Brust ruhendem Kinn des Kommenden harrte, flankierten Aluminium- oder Lederkoffer die Beine der Anwesenden. Vor jedem Sitzplatz waren Getränke bereitgestellt.
    Wir saßen in einem kleinen, fensterlosen Konferenzraum. Er maß etwa sieben Meter in der Länge und vier Meter in der Breite und beherbergte acht Sitzplätze, die sich um die konvexe Seite eines halbmondförmigen Mahagonitischs reihten. Der Boden war mit einem geräuschdämpfenden Teppich ausgelegt, in die Decke waren winzige Halogenlämpchen eingelassen. Die beiden äußersten Sessel waren frei. Vor dem Sitzplatz am hinteren Ende des Tisches waren ein Computerpaneel und ein kleines TFT-Display in den Tisch integriert, mit dem sich der 80-Zoll-Wandbildschirm bedienen ließ. Ich saß auf dem vorletzten Sessel am hinteren Ende des Raumes, unmittelbar neben der Operator-Konsole. Während ich an einem Glas mit zimmerwarmem Fruchtsaft nippte und das Panell studierte, legte sich eine Hand auf meinem Arm und ließ mich erschrocken herumfahren.
    »Entschuldigen Sie«, murmelte der Mann in gedämpftem Englisch und zog die Hand zurück, während ich den Fleck aus verschüttetem Fruchtsaft betrachtete, der sich auf meiner Hose ausbreitete. Mein Nachbar sah kurz über die Schulter zu den restlichen Versammelten, als sei es ihm unangenehm, das Schweigen gebrochen zu haben. »Sie sind Poul Silis«, stellte er wieder an mich gewandt fest.
    »Ja«, murmelte ich verhalten und wusste dennoch, dass alle übrigen Ohren bereits auf Höchstleistung arbeiteten. Auch der scheinbar Schlafende war erwacht und musterte mich neugierig. »Kennen wir uns?«
    »Nicht persönlich, Mr. Silis. Ich habe einige Ihrer Bücher gelesen.« Mein Nachbar reichte mir die Hand. »Stewart Chapmann vom AMES-Forschungszentrum. Ich vertrete Dr. Henry McDonald.«
    Ich hob überrascht die Augenbrauen. Wenn die NASA einen Vertreter nach Europa schickte, musste an KCL-1102 tatsächlich etwas dran sein.
    »Sie schulden mir eine Antwort«, grinste Chapmann.
    Ich sah ihn verständnislos an. »Worauf?«
    »Auf die unbeantwortete Frage am Ende Ihres letzten Buches.« Er grinste noch breiter. »Yukatán-Halbinsel. Der Chicxulub-Krater …«
    »Du lieber Gott.« Ich schnaufte ergeben. »Dazu hätten Sie nicht extra über den Teich fliegen müssen, das hätte ich Ihnen auch per E-Mail beantwortet.«
    Chapmann lachte ein paar Sekunden lautlos. »Yeah«, seufzte er schließlich und wischte

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