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Imagon

Imagon

Titel: Imagon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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sich die Augenwinkel trocken. »Sicher.« Er atmete durch und sah mich erwartungsvoll an. »Sie schreiben, dass für das Artensterben am Ende der Kreidezeit nicht nur ein einziger Himmelskörper verantwortlich gewesen sein kann, sondern wahrscheinlich eine ganze Kette von Kometenfragmenten, vergleichbar mit dem Einschlag des Shoemaker-Levy auf dem Jupiter.«
    »Ein Kettenbombardement, richtig.«
    »Aber der Krater von Yukatán besitzt einen Durchmesser von fast zweihundert Kilometern und ist über fünfzehn Kilometer tief. Der Chicxulub-Meteorit war ein zehn Kilometer großer Brocken, der mit 150.000 Stundenkilometern auf die Erde traf. Die thermische Energie, die sein Aufschlag freigesetzt haben muss, hat die Atmosphäre innerhalb von Tagen in einen Backofen verwandelt. Das Auswurfmaterial, das in die Atmosphäre und weit darüber hinaus geschleudert wurde, reichte aus, um den Himmel über Jahre zu verdunkeln. Was nicht geröstet wurde, ist irgendwann erfroren, und was nicht erfror, ist letztlich verhungert, da fast alle Pflanzen eingegangen sind.«
    »Der Chicxulub ist nur einer von vielleicht sieben oder acht Aufschlagstellen dieser Impaktkette, die sich rund um den Globus zieht«, entgegnete ich. »Zwei Drittel der Bruchstücke sind mit Sicherheit in die Ozeane gestürzt, lediglich ein Drittel traf das Festland – jedoch allesamt nahe dem Äquator und in einem Zeitraum von vielleicht einem oder zwei Tagen, vielleicht sogar nur innerhalb von Stunden. Diese geballte Zerstörungskraft rund um den Erdball war letztendlich ausschlaggebend für eine derartige Vernichtung unter der Land- und Meeresfauna – nicht nur ein einziger kosmischer Killer. Dazu ist der Chicxulub zu klein.«
    »Haben Sie denn zumindest noch einen Festlandkandidaten?«
    »Das Mursukbecken im Osten Libyens, 900 mal 1200 Kilometer groß.«
    Chapmann schüttelte lächelnd den Kopf. »Sie müssen mich unbedingt auf die Vorlesung einladen, in der Sie Ihre Theorie publik machen.«
    An Chapmann war ein Lincoln-Double verloren gegangen. Ich konnte ihn mir gut als Referent vor dreihundert Physik-Studenten vorstellen, doch ebenso als Leuchtturmwärter oder auf einem Fischkutter sitzend und zerrissene Netze flickend. »Ihre Regierung hätte uns Grönland verkaufen sollen, als Dänemark unter der deutschen Besatzung litt«, wechselte er das Thema und kraulte seinen Bart. »Dann hätten wir uns den Flug nach Kopenhagen sparen können.«
    Die Frau neben ihm, die unserem Gespräch bisher schweigend gelauscht hatte, lächelte spöttisch. »Sie waren klüger als wir vorletztes Jahrhundert«, bemerkte sie leise und mit hörbar osteuropäischem Akzent.
    Chapmann nickte. »Ja, wirklich jammerschade.«
    Die Frau spitzte die Lippen. Sie hatte langes, hoch gestecktes rotes Haar und ein eigenartig schiefes Gesicht. Ich konnte nicht sagen, ob es ihre Augen waren, die schräg standen, oder ihr Mund; ihre linke Gesichtshälfte schien irgendwie kleiner zu sein als ihre rechte. Sie stellte sich als Dr. Elena Orgariowa von der Moskauer Akademie der Wissenschaften vor. Ihr aus dem Schlummer erwachter Sitznachbar hieß Edwin Rosenstein und kam vom Institut für Planetologie an der Universität Münster. Wenn er seine Augen mal nicht geschlossen hielt, waren sie hinter seiner Brille weit aufgerissen, was ihm einen froschartigen Gesichtsausdruck verlieh, den ich als angststarres Staunen empfand. Doch war es weder Angst noch Staunen, wie ich später erfuhr, sondern eine Schilddrüsenüberfunktion. Der Mann zu seiner Linken war ein gewisser Biarne Olsen vom Odenser Institut für physische Geographie, ein schmächtiges Männlein mit Halbglatze und korrekt-bürokratischem Aussehen, der in seinem antiquierten Anzug wie ein Relikt aus den späten sechziger Jahren wirkte. Der dem Ausgang am nächsten sitzende Mann hieß Luc Albert Patel und war Professor für Geophysik an der Université de Montreal; ein zu früh ergrauter Mittvierziger mit beigefarbenem Leinenzweireiher und stufenlos verstellbarem Silberblick. Sie alle warteten laut Rosenstein auf die neuesten Erkenntnisse über das Objekt.
    »Was für ein Objekt?«, fragte ich und sah einen nach dem anderen an. Mich beschlich der Verdacht, dass jeder im Raum bedeutend mehr wusste als ich.
    »Das fragen Sie uns?« Die Russin lachte, ein Urlaut, der sich durch ihre volle Brust Bahn brach.
    Ich sah sie an, dann Chapmann. »Was für ein Objekt?«, wiederholte ich.
    »Wollen Sie uns auf den Arm nehmen?«, fragte der Amerikaner. »Wo waren

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