Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)
doch gleich gesagt: Das sieht einfacher aus, als es ist. Aber Sie mussten ja unbedingt den Helden spielen.«
Der Knappe sah aus wie Jan.
Der Knappe war Jan.
Und Paul war echt.
Kein Traum.
Kein Prinz.
Mit einem Satz fuhr ich hoch. »Was zum Teufel machen Sie denn hier?«
Paul war noch nicht in der Lage zu antworten. Er schien zu überlegen, ob er sich entkräftet auf die Bank sinken lassen sollte, entschied sich aber seinem Allerwertesten zuliebe dagegen und lehnte sich nur schwer atmend an die Rückenlehne.
»Er war der einzige fahrtüchtige Mann im Heidekrug«, erklärte Jan an seiner Stelle.
»Dafür ist die Pflanze jetzt betrunken«, ergänzte Paul.
Ja, klar. Seine Köms im Blumentopf. Der Mann war wirklich durch den Wind.
Jan sprang jetzt seinerseits vom Pferd, einem kräftigen braunen Wallach. An der Führleine hatte er eine kleine Stute dabei. Er band alle drei Pferde an einen Wacholderstamm und kam dann zu uns.
Ich war wieder ganz wach und bot beiden Männern lauwarmes Wasser aus meiner Flasche an.
»Du solltest Fahrräder ausleihen«, erinnerte ich meinen Bruder.
»Es gab keine mehr. Dies ist ein sonniges Wochenende mitten in der Heideblüte, falls dir das entgangen sein sollte. Die Kutschen waren auch alle unterwegs. Aber ich kenne einen Pferdezüchter in Sudermühlen. Der war so nett, mir auszuhelfen.«
»Lass mich raten. Er ist einer deiner Kunden.«
Jan grinste. »Genau. Es gab keine andere Möglichkeit. Zu Fuß hätten wir mindestens zwei Stunden bis zu dir gebraucht.« Er warf Paul einen kurzen Blick zu. »Sehr viel schneller waren wir jetzt auch nicht. Beim ersten Trab ist er fast aus dem Sattel geflogen. Sie hätten es mir wirklich vorher sagen müssen, Doktor Liebling.«
Der stöhnte nur zur Antwort.
»Sind Sie überhaupt schon einmal geritten?«, fragte ich ihn.
»Selbstverständlich.«
»Und wie alt waren Sie da?«
»Neun oder zehn.«
»Alles klar.«
Die drei Pferde schnupperten am Heidekraut, verschmähten es aber. Logisch – sie waren ja keine genügsamen Heidschnucken.
Eine Großfamilie näherte sich und begann, uns und die Pferde zu fotografieren.
»Warum sind die Leute so komisch angezogen?«, erkundigte sich ein kleines Mädchen bei seiner Mutter. Die wusste keine Antwort. Jan trug übrigens auch noch seinen schwarzen Anzug.
Die Familie zog schnell weiter.
»Sie hätten doch gar nicht mitreiten müssen«, sagte ich zu Paul. »Es hätte völlig gereicht, wenn Jan mit einem zweiten Pferd hergekommen wäre.«
Paul schaute mich an.
Und schwieg.
Und schaute.
Mir wurde heiß.
»Ich gehe mir mal die Beine vertreten«, sagte Jan.
Ich hörte ihn kaum. Sah in die Augen dieses Mannes, während die Wacholderbäume einfach Wacholderbäume blieben und keine Zedern wurden.
War nicht mehr nötig.
Mein Herz fand seine Heimat, und ich erkannte: Das Warten war zu Ende.
27.
Rechtsanwälte küsst man doch!
Ich ging um die Bank herum zu Paul. Er öffnete seine Arme, und ich schlüpfte hinein. So blieben wir eine Weile stehen.
Dann hob ich den Kopf, und er küsste mich.
Küsste, küsste, küsste mich!
Zärtlich, liebevoll, heiß, leidenschaftlich … Mir gingen die Adjektive aus.
Ein Pferd schnaubte.
Wir kamen wieder halbwegs zu Bewusstsein. Unsere Lippen lösten sich voneinander.
»Aber ich bin nicht die Richtige für dich«, flüsterte ich. »Meine Familie ist nicht normal, ich lebe weit weg, und ich bin sowieso nicht die Frau, für die du mich hältst.«
Ich war überrascht, dass ich einen logischen Satz formuliert hatte, wenn er auch inhaltlich nicht ganz korrekt war. Weit weg leben würde ich bald nicht mehr.
Gleichzeitig hätte ich mich ohrfeigen können. Warum konnte ich nicht genießen, was ich hatte?
Paul löste sich von mir, seine Augen wurden dunkel.
»Kann es sein, dass jemand über mein Privatleben geplaudert hat?«
»Hm«, machte ich vage.
»Und da hast du zu hören bekommen, dass ich von den Frauen tief enttäuscht worden bin?«
»Hm.«
»Und dass ich von der Liebe nichts mehr wissen will?«
Ich konnte nur noch schwach nicken. Fühlte mich einsam, fünfzig Zentimeter von ihm entfernt.
Zölibat, dachte ich. Priesterkragen.
Pauls Blick blieb streng. »Du hast ja schon einiges aufgezählt. Muss ich außerdem befürchten, dass du mich verfolgen wirst und schließlich in die Elbe springst?«
»Höchstens in den Baggersee«, murmelte ich. Mit dir zusammen.
»Wie bitte?«
»Nichts. Ich würde dich niemals kontrollieren und schon gar nicht verfolgen.
Weitere Kostenlose Bücher