Immer diese Gespenster
zerstörungssüchtig, so als hätte er sich in Isobel Paradines Zimmer gehörig ausgetobt und begnüge sich nun damit, zu belästigen, zu reizen und zu beunruhigen. Er vertauschte zum Beispiel zwischen Mitternacht und Morgen die Schuhe vor den Zimmertüren, nachdem Boots sie geputzt hatte. Er versteckte Gegenstände wie Mrs. Geraldine Taylors Lesebrille, die drei Tage unauffindbar blieb und schließlich in einem Spalt hinter dem Sofa entdeckt wurde, oder Scheren, Bücher und Kleidungsstücke.
Wie alle Quälgeister hatte er es ganz besonders auf die schwächste und ängstlichste Person abgesehen; er konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf Sylvia Spendley-Carter, die er in hysterische Angst versetzte. Merkwürdige Dinge schienen von der Decke zu fallen oder durch geschlossene Fenster hereinzufliegen: Gemüse aus der Küche, ein Ei — das zum Glück hartgekocht war — , Nüsse und ein kleiner Kieselstein. Nachts ging der Poltergeist um, klopfte an Wände und trommelte auf Wasserleitungsrohre. Mittlerweile hatten mehrere der Gäste, darunter auch Mrs. Taylor, nach Einbruch der Dunkelheit die Gestalt der Nonne erblickt.
Allmählich wurden selbst die hartgesottensten Skeptiker nervös. Der Kobold ging sehr geschickt zu Werke, indem er sich manchmal für ein, zwei Tage still verhielt, um die Leute glauben zu lassen, er sei verschwunden. Dann begann er wieder von vorn, und mit der Ruhe in Paradine Hall war es aus.
Der Angriff auf Susan Marshall, der in der Nacht zum 5. Juli in ihrem Zimmer stattfand, war jedoch wieder etwas anderes.
Nach dem stürmischen Wetter Ende Juni hatte mit zunehmendem Mond eine sommerliche Hitzewelle eingesetzt. Das amerikanische Mädchen, das sonst sehr fest schlief, wurde durch einen kalten Luftzug geweckt, der ihr über Gesicht, Hals und Schultern strich. Noch nicht ganz wach, fühlte sie sich merkwürdig beunruhigt, obwohl sie nichts Gespenstisches in ihrem Zimmer entdeckte. Die Kälte auf ihrer Haut war unangenehm, und sie überlegte, daß die Temperatur doch nicht so plötzlich gefallen sein konnte. Sie blickte auf die dichten Vorhänge vor dem weit offenen Fenster, die einen Spalt frei ließen, durch den ein Streifen Mondlicht hereinfiel. Die Vorhänge bewegten sich nicht; es konnte unmöglich der Wind sein, der diesen kalten Luftzug verursachte. Im nächsten Augenblick fühlte sie eine eisige Hand an der Kehle.
Die Finger, die ihren Hals umklammerten, waren kalt, feucht, knochenlos und erfüllten sie mit Ekel und Abscheu; doch sie verspürte keine Furcht und verhielt sich still.
Sie war ein gesundes, sportliches Mädchen von dreiundzwanzig Jahren, das sich nicht so leicht einschüchtern ließ. Voller Wut beschloß sie, den Angreifer zu packen, drehte sich rasch um und griff nach ihm, doch da war nur Luft. Die Vorhänge bewegten sich ein wenig, und sie bemerkte, daß ihre Tür offenstand. In dem Streifen Mondlicht, der vom Fenster einfiel, sah sie eine verhüllte Gestalt in einer Art Nonnenkleid und Haube verschwinden. Die Tür schloß sich lautlos hinter ihr.
Susan Marshall tastete nach dem Schalter der Nachttischlampe, doch das Zimmer blieb dunkel. Dies erschreckte sie beinahe mehr als der Angriff auf ihre Person. Noch stärker beunruhigt war sie, als sie die Tür öffnen wollte und sie verschlossen fand, und sie überlegte, ob sie um Hilfe rufen sollte. Doch dann beherrschte sie sich, und ihre guten Nerven gewannen wieder die Oberhand. Sie erinnerte sich, daß sich auf dem Kaminsims ein Leuchter und Streichhölzer befanden. Sie tastete sich hinüber und zündete die Kerze an. Es war niemand im Zimmer.
Sie trug die Kerze zum Spiegel und hielt sie in die Höhe. Dunkle große Augen blickten sie aus ihrem blassen Gesicht unter kastanienbraunem Haar an. Sie war nicht verletzt, und es fanden sich keine blutunterlaufenen Stellen an ihrem Hals, und dennoch...
Sie hielt die Kerze höher, um ihr Gesicht genauer zu prüfen. Da leuchtete plötzlich die Nachttischlampe auf und erhellte das Zimmer. Sie sah fünf feuchte Flecken auf ihrer Haut, dort, wo sie die kalte Hand gespürt hatte. Sie fuhr mit den Fingern darüber und dachte, es sei vielleicht Angstschweiß.
Gleichzeitig entdeckte sie, daß ihr Körper schweißnaß war. Sie trocknete sich mit einem Handtuch ab und ging dann zur Tür. Diese war nun nicht mehr verschlossen, und sie blickte in den dunklen Korridor hinaus. Es war niemand zu sehen. Sie lauschte angestrengt, ob Schritte zu vernehmen wären, doch vergeblich. Dagegen glaubte sie
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