Immer dieser Michel
Michels Mutter weinte, Kleinida weinte, und Lina weinte zur Gesellschaft mit, Krösa-Maja jammerte ach und oh und hatte nicht einmal Zeit, ihr Abendbrot zu essen. Sie mußte ja in der Gegend herumlaufen und all und jedem erzählen:
"Ach, ach, ach! Die armen Svenssons auf Katthult! Michel, dieses Unglück, hat sich vollgesoffen und alle Hühner erschlagen, ach, ach, ach!"
Alfred war der einzige, der vernünftig blieb. Als Lina mit ihrer gräßlichen Kunde gekommen war, raste er zusammen mit allen anderen hinaus und fand Michel neben Knirpsschweinchen und dem Hahn im Gras liegend. Ja, Lina hatte recht, Michel war tatsächlich richtig voll. Schwer an Knirpsschweinchen gelehnt, lag er da und verdrehte die Augen. Man sah, daß ihm schlecht war. Michels Mutter weinte verzweifelt, als sie ihren armen, unglücklichen Jungen sah, und wollte ihn sofort in die Kammer tragen. Aber Alfred, der sich in solchen Dingen auskannte, sagte:
"Es ist besser für ihn, wenn er draußen in der frischen Luft bleibt!"
Und dann saß Alfred, Michel im Arm, den ganzen Abend auf der Vortreppe des Knechtshauses. Er half ihm, wenn er sich übergeben mußte, und tröstete ihn, wenn er weinte. Ab und zu wachte Michel auf, und dann weinte er über seine Schlechtigkeit.
Er hatte ja gehört, daß er besoffen war, nur konnte er sich nicht erklären, wie das geschehen war. Michel wußte nicht, daß Kirschen, aus denen man Wein macht und die deshalb lange gären müssen, schließlich vollgesogen sind mit Alkohol. Deshalb hatte seine Mutter auch zu ihm gesagt, er solle die Kirschen vergraben.
Aber statt dessen hatte er von ihnen gegessen, er und der Hahn und Knirpsschweinchen. Und darum lag er nun wie ein Wrack in Alfreds Armen.
153
Lange lag er so. Die Sonne ging unter, es wurde dunkel, der Mond stieg auf über Katthult, und noch immer saß Alfred da mit Michel in den Armen.
"Wie geht es dir, Michel?" fragte Alfred, als er sah, daß Michel die Augen ein wenig bewegte.
"Ja, noch lebe ich", sagte Michel mit matter Stimme, und dann flüsterte er: "Aber wenn ich sterbe, dann sollst du, Alfred, den Lukas haben."
"Du stirbst nicht", versicherte Alfred.
Nein, Michel starb nicht und Knirpsschweinchen nicht und auch nicht der Hahn. Und merkwürdigerweise auch nicht die Hühner.
Mitten in ihren Sorgen schickte die Mutter Ida nach einem Korb Holz. Ida weinte, als sie hinausging, denn es war ja wirklich ein trauriger Abend, und noch mehr weinte sie, als sie in den Holzschuppen kam und Hinke-Lotta tot auf dem Hauklotz liegen sah.
"Arme Hinke-Lotta", sagte Ida. Sie streckte ihre zarte Hand aus und streichelte Lotta. Und, man stelle sich vor, da kam Leben in Lotta! Sie schlug die Augen auf und flatterte mit einem verärgerten Gackern vom Hauklotz und hinkte wütend zur Tür hinaus. Ida stand verdutzt da und wußte nicht, was sie davon halten sollte. Hatte sie vielleicht Hände, die zaubern konnten und mit denen man Tote zum Leben erwecken konnte?
Vor lauter Sorge um Michel war niemand dazu gekommen, sich um die Hühner zu kümmern. Sie lagen noch immer im Gras herum. Jetzt aber kam Ida und streichelte sie alle, schön der Reihe nach, und jedes Huhn sprang auf und wurde lebendig. Ja, sie waren nämlich nicht tot, sie waren nur vor Schreck ohnmächtig geworden, als Knirpsschweinchen ihnen nachgejagt war - so kann es bei Hühnern manchmal sein.
Ida aber ging stolz in die Küche, wo ihre Mutter und ihr Vater saßen und sich sorgten und weinten. Jetzt hatte Ida auch Neuigkeiten, mit denen sie ankam.
Ja, jetzt habe ich jedenfalls die Hühner von den Toten auferweckt", sagte sie stolz.
154
Der Hahn, Knirpsschweinchen und Michel waren am nächsten Morgen wieder einigermaßen zu sich gekommen. Der Hahn allerdings konnte drei Tage lang nicht krähen. Er versuchte es dann und wann, aber es kam kein Kukeliku heraus, sondern nur ein häßliches, unzusammenhängendes Geräusch, das ihm selber peinlich war. Die Hühner sahen ihn bei jedem Versuch erstaunt an, und da verkroch sich der Hahn unter die Büsche und schämte sich.
Knirpsschweinchen schämte sich nicht. Aber Michel wirkte den ganzen Tag etwas verschämt, und Lina ärgerte ihn.
"Sich da besoffen mit einem Schwein zusammenlegen, ja, das ist schön! Saufschweine, das seid ihr beide, du und
Knirpsschweinchen, und so werde ich euch von nun an immer nennen."
"Ich finde, das solltest du nicht tun", sagte Alfred und sah Lina scharf an. Da schwieg sie.
Aber damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Gegen
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