Immer dieser Michel
festen Halt. Und sicher wäre Knirpsschweinchen auch umgefallen, wenn es nicht jedesmal kurz vor dem Hinpurzeln diesen kleinen Hopser gemacht hätte, den Michel ihm beige bracht hatte. Der Hopser half ihm, das Gleichgewicht zu halten.
Aber um die Hühner stand es schlecht. Die hatten noch nie erlebt, daß ein Schwein sich so aufführte, und nun rannten sie um ihr Leben. Ihr entsetztes Gegacker war jammervoll anzuhören. Arme 150
Hühner! Schlimm genug, daß ihr Hahn verrückt geworden war, aber nun noch ein bösartiges Schwein, das ihnen mit aufgerissenen Augen in unheimlich großen Sprüngen nachsetzte, das war zuviel.
Ja, das war zuviel! Man kann vor Schreck sterben, das wußte Michel, und plötzlich sah er, wie ein Huhn nach dem anderen umfiel und reglos liegenblieb. Überall im Gras lagen die toten Hühner, still und weiß lagen sie da, ein grausiger Anblick. Michel war verzweifelt und weinte. Was würde die Mutter sagen, wenn sie ihre Hühner so finden würde? Hinke-Lotta, seine Henne, lag auch da, ein toter weißer Klumpen. Weinend hob Michel sie auf.
Ja, sie war tot, es war kein Leben mehr in ihr. Arme Hinke-Lotta, nun war es aus mit ihr und ihren vielen guten Eiern! Für Michel gab es nur noch eins zu tun: ihr so schnell wie möglich ein ehrenvolles Begräbnis zu geben. In Gedanken sah er bereits, was auf ihrem Grabstein stehen sollte: Hier ruht Hinke-Lotta. In den Tod geschreckt durch Knirpsschweinchen.
Michel war wirklich verbittert über Knirpsschweinchen. Dieses Untier wollte er wieder in den Schweinestall sperren und nie mehr ins Freie lassen! Hinke-Lotta aber sollte solange im Holzschuppen liegen. Michel trug sie behutsam hinein und legte sie auf den Hauklotz. Nun konnte sie ausruhen in Erwartung ihrer Beerdigung, die arme Lotta!
Als Michel aus dem Holzschuppen kam, sah er, daß der Hahn und Knirpsschweinchen wieder bei den Kirschen standen. Das waren vielleicht ein paar feine Figuren! Zuerst die Hühner zu Tode jagen und dann in aller Ruhe weiterzufressen, als sei nichts geschehen! Wenigstens der Hahn konnte doch soviel Anstand besitzen, daß er ein bißchen Trauer zeigte, wo er doch auf einen Schlag alle seine Hennen verloren hatte! Aber er nahm das sichtlich ruhig hin.
Das Kirschenessen hatte aber nicht mehr den rechten Schwung.
Zuerst fiel der Hahn wieder um und dann, kurz darauf, auch Knirpsschweinchen. Michel war so wütend auf die beiden - es interessierte ihn einfach nicht mehr, ob sie lebten oder starben.
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Außerdem konnte er sehen, daß sie nicht tot waren wie die Hühner. Der Hahn röchelte schwach und strampelte ein wenig mit den Beinen, und Knirpsschweinchen machte wohl ein
Nickerchen, denn ab und zu versuchte es die Augen zu öffnen, und in ihm rasselte es.
Es lagen noch allerhand Kirschen im Gras, und Michel kostete eine. Sie hatte nicht gerade den Geschmack einer Kirsche, aber sie schmeckte eigentlich nicht schlecht. Wie konnte Mutter nur auf den Gedanken kommen, daß man so gutes Obst vergraben sollte?
Ach ja, Mutter! Er mußte ja wohl zu ihr und ihr von dem Unglück mit den Hühnern erzählen. Aber er hatte nicht viel Lust dazu.
Nicht jetzt gleich. Nachdenklich aß er noch einige Kirschen. . .
und dann noch einige. . . Nein, er wollte es nicht jetzt gleich machen!
Inzwischen hatte Michels Mutter in der Küche das Abendbrot für die Ernteleute gerichtet. Nun kamen sie alle, der Vater und Alfred und Lina und Krösa-Maja, müde und hungrig nach einem langen Arbeitstag. Sie setzten sich rund um den Küchentisch. Aber Michels Platz blieb leer, und Michels Mutter fiel ein, daß es recht lange her war, seit sie ihren Jungen zuletzt gesehen hatte. "Lina, sieh nach, ob Michel draußen beim Knirpsschweinchen ist", sagte sie.
Lina ging hinaus, und sie blieb lange weg. Als sie endlich wieder zur Tür hereinkam, blieb sie auf der Schwelle stehen und wartete, bis alle sie ansahen. Alle sollten zugleich das Unerhörte hören, was sie zu berichten hatte.
"Was ist los mit dir? Warum stehst du da? Ist etwas passiert?"
fragte die Mutter.
Lina grinste vor sich hin.
"Ob etwas passiert ist? Ja, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll...
Aber jedenfalls sind die Hühner tot! Und der Hahn ist besoffen!
Und Knirpsschweinchen ist besoffen! Und Michel... nun ja ..."
"Was ist mit Michel?" fragte die Mutter besorgt.
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"Michel", sagte Lina und seufzte schwer, "Michel ist auch besoffen!"
Das wurde ein Abend in Katthult - man kann ihn kaum beschreiben!
Michels Vater tobte und schrie,
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