Immer dieser Michel
dem Roggenfeld und sah es nicht und brauchte sich nicht sündig und verderbt vorzukommen, weil in seinem Hause Wein gemacht wurde.
Bald hatte Michels Mutter zehn Flaschen Wein, schmuck aneinandergereiht, auf dem Küchentisch stehen. Sie sollten in einer Ecke im Kartoffelkeller aufbewahrt werden, damit sich keiner darüber aufregen mußte. Nun konnte Frau Petrell kommen, wann sie wollte, und sich ihren Wein abholen.
Die vergorenen Kirschen, aus denen der Wein gemacht worden war, standen in einem Eimer draußen vor der Küchentür, als Michel und Ida mit ihrem Vesperkorb vom Roggenfeld
zurückkamen.
"Nimm den Eimer, Michel", sagte die Mutter, "und vergrabe diese Kirschen im Dunghaufen."
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Folgsam, wie Michel war, ging er damit los. Der Dunghaufen lag genau hinter dem Schweinestall, und im Schweinestall lief Knirpsschweinchen hin und her. Als es Michel sah, grunzte es laut. Michel sollte doch wissen, daß es jetzt heraus wollte, um bei ihm zu sein.
"Gut, wenn du raus willst. . ." sagte Michel und stellte den Eimer ab. Er öffnete die kleine Gittertür, und mit einem Jubel-grunzer stürzte Knirpsschweinchen heraus. Es steckte sofort die Schnauze in den Eimer, weil es glaubte, Michel sei mit Futter zu ihm gekommen. Da erst begann Michel darüber nachzudenken, was seine Mutter gesagt hatte - daß er die Kirschen im Dunghaufen vergraben sollte. Das war wirklich seltsam, in Katthult wurde sonst nie etwas vergraben, was man essen konnte. Und diese Kirschen hier waren doch eßbar. Knirpsschweinchen hatte sich schon einige einverleibt. Michel begriff, daß seine Mutter die Kirschen im Dunghaufen vergraben haben wollte, damit sie aus dem Weg waren, wenn sein Vater vom Roggenfeld heimkam.
Aber dann kann Knirpsschweinchen sie doch ebensogut auffressen, dachte Michel. Weil es doch so wild auf Kirschen ist!
Anscheinend mochte Knirpsschweinchen gerade diese Kirschen besonders gern. Es grunzte entzückt und wühlte so umher, daß seine Schnauze rot wurde. Um es ihm leichter zu machen, schüttete Michel die Kirschen auf den Boden. Da kam der Hahn und wollte auch an dem Festessen teilnehmen.
Knirpsschweinchen warf ihm zwar einen zornigen Blick zu, ließ ihn aber in Ruhe, und der Hahn pickte Kirschen in sich hinein, soviel er konnte. Da kamen die Hühner, Hinke-Lotta an der Spitze, und wollten sehen, was das für Leckereien waren, die der Hahn gefunden hatte. Aber das ging schief. Sie brauchten nur die Schnäbel zu senken, und Knirpsschweinchen und der Hahn scheuchten sie ohne Erbarmen weg. Diese wirklich guten Kirschen hier, die wollten der Hahn und Knirpsschweinchen ganz für sich allein haben.
Michel saß dicht dabei auf dem umgedrehten Eimer. Er blies auf einem Grashalm und dachte an nichts. Zu seinem Erstaunen sah 149
er, wie der Hahn plötzlich umfiel. Er machte zwar mehrere Versuche, sich aufzurichten, aber es wollte ihm nicht glücken.
Hatte er es halbwegs geschafft, schoß er wieder kopfüber hin, und schließlich blieb er liegen. Die Hühner, die weggejagt worden waren, standen wie eine Volksversammlung etwas abseits und sahen zu, wie seltsam sich ihr Hahn aufführte, und sie gackerten bekümmert. Das reizte den Hahn, der da lag, und er glotzte sie böse an. Hatte er vielleicht nicht das Recht, zu liegen und zu fallen, wo und wie er wollte?
Michel begriff nicht, was mit dem Hahn los war, aber er tat ihm leid. Er ging zu ihm hin und stellte ihn auf die Beine. Ein Weilchen stand der Hahn und schwankte hin und her, wie um zu fühlen, ob ihn seine Beine tragen wollten. Aber dann wurde er anscheinend vom Wahnwitz befallen, er fächelte und flatterte übermütig mit den Flügeln und ging mit einem schneidenden Kukeliku auf die Hühnerschar los. Da hatten es die Hühner eilig und versuchten schnellstens, sich zu retten, denn sie sahen ja ganz deutlich, daß ihr Hahn verrückt geworden war. Michel sah es auch, und er blickte so verwirrt auf das wilde Vorgehen des Hahnes, daß er Knirpsschweinchen vergaß. Verrückt, ja - aber wenn da jemand war, der plötzlich aus Verrücktheit losquiekte, dann war es Knirpsschweinchen. Es wollte auch bei der Hühnerjagd dabeisein und folgte jetzt, schrill grunzend, dem Hahn auf den Fersen. Michel wunderte sich immer mehr, er verstand das alles nicht. Knirpsschweinchen rannte los, grunzte in allen Tonarten, und es sah so aus, als hätte es großen Spaß an allem. Nur mit seinen Beinen - Michel konnte es sehen -stimmte etwas nicht. Die schlotterten, und es war, als hätten sie keinen
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