Immer dieser Michel
die Schweinestalltür verriegelt, und da er nun schon mal beim Verriegeln war, verriegelte er auch die Trissebudentür. Das war bestimmt gedankenlos getan. Er hätte sich ja denken können, daß jemand da drinnen saß, weil die Tür auf der Außenseite nicht verriegelt war. Aber Michel hatte eben gerade seine Gedanken nicht beisammen. Im Handumdrehen verriegelte er die Tür und sprang dann leichtfüßig davon. Dabei sang er:
Jetzt habe ich verriegelt, jetzt habe ich verriegelt, alles hab' ich jetzt verriegelt!"
Sein Vater, der in der Trissebude saß, hörte den fröhlichen Gesang und bekam es mit der Angst zu tun. Er fuhr hoch und rüttelte an der Tür.
Tatsächlich! Besser hätte sie nicht verriegelt werden können.
Michels Vater brüllte:
"Michel!"
Aber Michel sprang ja zum Haus hinüber und sang sein Jetzt habe ich verriegelt" so laut und so begeistert, daß er überhaupt nichts hörte.
Michels Vater wurde so wütend, daß er kaum noch Luft bekam.
Das war ja wohl das Letzte! Wie in aller Welt sollte er hier herauskommen? Er hämmerte wild an die Tür, er schlug und bummerte. Aber was half es? Schließlich fing er an zu treten. Er trat so gegen die Tür, daß sich seine Zehen krümmten, aber Trisse hatte seine Sache damals gut gemacht, es war eine sehr stabile Tür, die nicht im geringsten nachgab. Michels Vater wurde immer 170
wilder. Er wühlte in den Taschen nach seinem Klappmesser. Er würde doch wohl wenigstens, dachte er, ein Loch in die Tür bohren können, groß genug, daß er die Messerspitze
hindurchbekam, um den Riegel dann langsam zur Seite zu schieben. Aber das Klappmesser steckte in seinen Alltagshosen, und heute hatte er ja seine Sonntagssachen an. Eine Zeitlang stand Michels Vater da und kochte vor Wut. Nein, er fluchte nicht, er war ja Kirchenältester, aber über Michel und Trisse zischte er doch so allerhand. Dieser Trisse, nicht einmal ein anständiges Fenster hatte er in dieser Trissebude zustande bekommen, sondern nur eine enge kleine Luke oben über der Tür! Michels Vater glotzte böse auf die Luke, die so überaus winzig war, und gab der Tür noch einige gewaltige Tritte. Dann setzte er sich hin, um abzuwarten.
Es gab nicht weniger als drei Sitzplätze in der Trissebude, und auf einem davon ließ er sich nieder. Da saß er nun, knirschte mit den Zähnen und wartete blutdürstig darauf, daß endlich jemand kommen würde, jemand, der auch Geschäfte in der Trissebude verrichten mußte.
Den ersten, der kommt, den bringe ich um, wenn er mir auch leid tut, dachte er, und das war eigentlich ungerecht und nicht besonders freundlich von Michels Vater. Aber man muß ja auch verstehen, daß er wirklich wütend war.
Über die Trissebude senkte sich die Dunkelheit. Michels Vater saß da und wartete und wartete - aber niemand kam. Er hörte den Regen auf das Dach trommeln, es war ein trostloses Geräusch. Er wurde wütender und wütender. Nein, sollte er hier einsam und im Dunkeln herumsitzen, während alle anderen im Haus waren, Licht hatten und auf seine Kosten zufrieden schmausten! Nein, damit mußte jetzt Schluß sein! Raus wollte er, raus! Und sei es durch die Luke! "Denn jetzt bin ich zornig", sagte er laut und erhob sich von seinem Sitzplatz.
In der Trissebude stand eine Kiste mit alten Zeitungen. Er stellte sie hochkant und stieg hinauf. Ja, das hier war hoch genug. So weit war alles gut, den kleinen Fensterrahmen nahm er ohne 171
Schwierigkeiten heraus, steckte den Kopf aus der Luke und hielt Ausschau nach Hilfe.
Eine Hilfe war nicht zu sehen, statt dessen traf ihn ein Regenguß mit voller Kraft in den Nacken. Reichlich viel davon rann in seinen Hemdkragen, und das ist eine der unangenehmsten Stellen zum Auffangen von Regengüssen. Jetzt aber war Michels Vater durch nichts mehr zu bremsen. Selbst wenn sich die Sintflut über ihn ergießen sollte - er wollte raus!
Mit großer Mühe zwängte er Arme und Schultern durch die Luke, und dann wuchtete er sich Stück für Stück weiter.
Wenn man nur richtig wütend ist, dann geht alles, dachte er. Aber genau da gab es ein Halt! Ein totales Halt! Er strengte sich so an, daß er blau im Gesicht wurde, er stieß mit den Füßen, schlenkerte wie wild mit den Armen und erreichte damit nur, daß die Kiste umfiel und er dann, ohne eine Stütze für seine Füße, dahing und weder vorwärts noch rückwärts konnte - der arme Mann.
Was macht nun ein Kirchenältester, der mit dem Vorderteil draußen im Regenschauer und mit dem Hinterteil innen
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