Immer dieser Michel
Nach zwei Stunden hatte sie alle erwischt. Als Michel endlich am Vormittag erwachte, roch er nur den himmlischen Duft von frisch gekochten Krebsen, der aus der Küche kam, und das brachte ihn freudig auf die Beine.
Drei Tage lang wurden in Katthult Krebse gegessen - eine wahre Wonne. Außerdem hatte Michel eine entsetzliche Menge Krebsschwänze aus den Schalen gelöst und sie der Frau Pastor im Pfarrhaus für 25 Öre das Liter verkauft. Den Verdienst hatte er 162
gerecht mit Alfred geteilt. Alfred, der stets knapp bei Kasse war, fand, daß Michel bemerkenswerte Ideen habe.
"Michel, in Geschäften bist du schlau", sagte er und sprach damit ein wahres Wort. Michel hatte bereits fünfzig Kronen in seinem Sparschwein, die er sich mal so und mal so zusammenverdient hatte.
Eine Zeitlang grübelte er über ein ganz großes Geschäft nach. Er wollte alle seine Holzmännchen an Frau Petrell verkaufen, weil sie so entzückt von ihnen war. Glücklicherweise wurde nichts daraus. Die Holzmännchen durften auf dem Regal stehenbleiben, und dort stehen sie noch heute. Frau Petrell wollte wahrhaftig auch Michels Holzgewehr kaufen und es an einen kleinen unartigen Jungen verschenken, den sie kannte, aber auch daraus wurde nichts.
Gewiß, Michel fand selbst, daß er nun zu groß wurde, um noch damit zu spielen, aber verkaufen wollte er seine Busse auch wieder nicht. Er nagelte sie statt dessen an die Wand im Tischlerschuppen und schrieb mit Rotstift darüber:
ANDENKEN VON ALFRED.
Alfred lachte, als er das sah, aber es gefiel ihm, das war zu merken.
Die Müsse hatte Michel zum ständigen Gebrauch behalten, ohne sie konnte er nicht sein. Er setzte sie auch auf, als er das erste Mal zur Schule ging. Ja, für Michel war es jetzt Zeit, daß er in die Schule kam, und ganz Lönneberga hielt den Atem an.
Lina versprach sich nicht viel von Michels Schulbesuch.
"Sicher kippt er das Schulhaus um und legt Feuer an die Lehrerin", sagte sie, aber da sah Michels Mutter sie streng an.
"Michel ist ein netter Junge", sagte sie. "Gewiß hätte er neulich beinahe die Frau Pastor in Brand gesteckt, aber dafür hat er schon im Tischlerschuppen gesessen. Das ist also nichts, worauf du jetzt noch herumhacken mußt!"
Es war der 17. August gewesen, als Michel wegen der Frau Pastor im Tischlerschuppen sitzen mußte. An dem Tag kam sie nämlich nach Katthult, um sich ein Webmuster von Michels Mutter zu 163
holen. Sie wurde zum Kaffee in die Fliederlaube eingeladen, und dort wollte sie sich das Webmuster ansehen. Sie hatte schwache Augen, und deshalb nahm sie ein Vergrößerungsglas aus ihrer Handtasche. So ein Ding hatte Michel noch nie gesehen, und er war sehr interessiert daran.
"Du kannst es gern einmal haben", sagte die Frau Pastor in ihrer Einfalt. Sie wußte wohl nicht, daß Michel mit allem Unfug machen konnte, und ein Vergrößerungsglas war nicht das schlechteste. Michel erkannte bald, daß man es als Brennglas benutzen konnte. Wenn die Sonne auf das Glas schien, sammelten sich die Strahlen darunter in einem Punkt, der leuchtete und glühte. Michel sah sich nach etwas Brennbarem um, etwas, was sich richtig in Brand stekken ließe. Die Frau Pastor saß ganz still da und redete und redete mit seiner Mutter. Ihr Kopf bewegte sich kaum. Die Straußenfedern auf ihrem feinen Hut sahen ziemlich feuerempfindlich aus, und Michel versuchte es. Nicht weil er glaubte, es könnte glücken - er fand, man müßte es versuchen, denn wie sollte man sonst in seinem Leben etwas in Erfahrung bringen.
Das Ergebnis seines Versuchs wird in dem blauen Schreibheft so beschrieben:
Auf einmal fings an um die Pastorin zu räuchern und zu qualmen, ja, aber Feuer haben die Federn nicht gefangen. Es gab nur Rauch. Und ich hab gedacht, nun würde Michel besser werden, wo er doch Guttempler geworden ist. Das wäre schön. Der Herr Guttempler saß den Rest des Tages im Tischlerschuppen, jaj a, so ist es."
Am 25. August kam Michel in die Schule. Wenn die Lönneberger gedacht hatten, daß er sich dort in die Erde verkriechen würde, dann waren sie auf dem Holzweg. Die Lehrerin ahnte wohl als erste, daß dort in der Bank dicht am Fenster ein angehender Ge-meinderatspräsident saß. Höre und staune: Michel wurde der Beste in der Klasse! Lesen konnte er schon, als er hinkam, und rechnen lernte er schneller als alle anderen. Natürlich machte er Unfug, aber nicht mehr, als die Lehrerin aushaken 164
konnte. Nun ja, einmal geschah es, daß er sie mitten auf den Mund küßte.
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