Immer dieser Michel
ein entsetzliches Gefühl, daß man Knirpsschweinchens Leben nur erkaufen konnte, indem man ein anderes armes Schwein tötete. Aber es gab sonst keinen Ausweg, und Michel wußte auch, daß er anderenfalls keine Ruhe vor seinem Vater gehabt hätte, der ja nicht verstand, daß einem ein Schwein ein guter Freund sein konnte.
Zwei Tage lang ging Michel nicht in den Schweinestall, sondern ließ Lina das Fressen zu den beiden Schweinen bringen. Am Morgen des dritten Tages wachte er auf, obwohl es draußen noch kohlrabenschwarz war. Er hörte ein Schwein um sein Leben quieken. Es quiekte schrill und gellend, aber dann war es plötzlich still.
Michel hauchte auf das frostbeschlagene Fenster, damit er ein Guckloch bekam, und sah hinaus. Er sah den Schein der Laterne hinten im Schweinestall und dunkle Schatten, die sich bewegten.
Jetzt war das Schwein tot, das wußte er. Jetzt stand dort Lina und rührte das Blut, das aus dem Schwein herausrann. Bald würden sein Vater und Alfred es abbrühen und ihm die Borsten abschaben und es zerteilen. Krösa-Maja würde kommen, und sie und Lina würden nachher im Waschhaus die Därme auswaschen, und damit 177
war es dann zu Ende mit dem Bastefall-Schwein, das Michel gekauft hatte.
"Und wenn ich steche, wird es schrein", murmelte Michel, und dann kroch er wieder in sein Bett und weinte lange.
So aber ist der Mensch - er vergißt. Und so war Michel auch. Am Nachmittag saß er eine Weile bei Knirpsschweinchen, und während er es kratzte, sagte er gedankenvoll:
"Du, Knirpsschweinchen, du lebst! So verschieden ist das hier auf der Welt, du, du lebst!"
Dann nahm er sich vor, das Bastefall-Schwein zu vergessen. Und als am nächsten Tag Krösa-Maja und Lina in der Küche saßen und emsig Speckwürfei schnitten und die Mutter Wurstmasse knetete und Blutklöße kochte und den Weihnachtsschinken in seine Salzlake legte, während Lina sang "Ein Wetter bläst so kalt, her von der See" und Krösa-Maja von dem Gespenst ohne Kopf im Pfarrhaus erzählte, da fühlte Michel sich wohl. Er dachte nicht mehr an das Bastefall-Schwein, sondern nur noch daran, daß bald Weihnachten sein würde und wie schön es war, daß es endlich angefangen hatte, richtig zu schneien.
Jetzt kommt der Schnee, viel Schnee, viel Schnee", sagte Kleinida.
Und es schneite. Im Laufe des Tages wurde es immer schlimmer, und dazu stürmte es auch. Der Schnee wurde umhergewirbelt, man konnte kaum die Ställe erkennen, wenn man hinaussah.
Ja, jetzt zieht's sich zusammen, das wird ein Schneesturm", sagte Krösa-Maja. "Wie soll ich nur nach Hause kommen?"
"Du bleibst heute nacht hier", sagte die Mutter. "Du kannst mit Lina zusammen auf der Küchenbank schlafen."
"Ja, aber dann sei so gut und lieg still wie ein totes Schwein!
Denk daran, daß ich kitzlig bin", sagte Lina.
Beim Abendbrot klagte Alfred über seinen Daumen. Er sagte, er hätte Schmerzen. Michels Mutter wickelte den Verband ab, um sich die Wunde anzusehen.
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Es war kein schöner Anblick. Die Wunde war rot und eitrig, und rote Streifen zogen sich vom Daumen ein kleines Stück über das Handgelenk hinaus.
Krösa-Majas Augen begannen zu leuchten.
"Blutvergiftung", sagte sie. "Gefährliche Sache, das."
Michels Mutter holte die Flasche mit Sublimat und machte einen Sublimatumschlag um Alfreds Hand und Arm.
"Wenn es bis morgen nicht besser wird, dann fährst du zum Doktor nach Mariannelund", sagte sie.
In der Nacht schneite und stürmte es über ganz Smaland, keiner konnte sich erinnern, daß es jemals so schlimm gewesen war. Als sie am Morgen auf Katthult erwachten, lag der Hof unter einer großen, weichen Schneedecke. Und der Schneesturm tobte weiter.
Es schneite und stürmte, daß man kaum die Nase hinausstecken konnte, und im Schornstein heulte der Wind - so etwas hatte man noch nie erlebt!
"Da kann Alfred den ganzen Tag Schnee schaufeln", sagte Lina.
"Er kann es aber auch lassen, denn es ist ja doch vergebens."
Alfred schaufelte an diesem Tag keinen Schnee. Als
Frühstückszeit war, blieb sein Platz am Küchentisch leer. Michel wurde unruhig. Er setzte seine "Müsse" auf, zog die dicke Lodenjoppe an, nahm die Schneeschaufel, die neben der Küchentür stand, und schaufelte sich einen Weg hinüber zum Knechtshaus.
Lina sah ihm durch das Küchenfenster nach und nickte zufrieden.
"Sehr klug von Michel, den Schnee beiseite zu schaffen, da kann er schnell zum Tischlerschuppen sausen. Man weiß ja nie, zu welcher Stunde das nötig ist."
Dumme Lina, sie
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