Immer für dich da (German Edition)
immer, das weißt du doch.«
Er verzog das Gesicht; sie sah, welchen Tribut ihre Krankheit auch von ihm gefordert hatte. Er wirkte alt. »Und ich brauche dich.« Er küsste sie auf die Stirn.
Das jagte ihr größere Angst ein als alles andere. Küsse auf die Stirn waren etwas für Fremde und alte Leute. Sie packte seine Hand und sagte verzweifelt: »Ich bin nicht zerbrechlich.«
Langsam, ohne den Blick von ihr zu wenden, küsste er sie auf den Mund, und einen herrlichen Augenblick lang stand alle Zeit still. Es gab nur noch sie beide. Als er sich von ihr löste, wurde ihr kalt.
Wenn sie doch nur Worte gefunden hätten, die ihnen über den steinigen Weg, der vor ihnen lag, hinweggeholfen hätten.
»Gute Nacht, Katie«, sagte er schließlich und wandte sich von ihr.
»Nacht«, flüsterte sie und sah, wie er zu seinem Bett ging.
Kapitel 36
I n der nächsten Woche nahm Kate mit allen Fasern die Frühsommersonne in sich auf. Ihre Tage verbrachte sie entweder unter einer alten Strickdecke im Liegestuhl am Strand und schrieb wie wild in ihr Tagebuch, oder sie plauderte mit ihren Kindern, ihrem Mann oder Tully. Auch die Abende verbrachte sie mit Gesprächen. Lucas und William erzählten die längsten Fortsetzungsgeschichten der Welt. Wenn sie zu Ende gingen, lachten alle Zuhörer. Danach ließen sich die Erwachsenen vor dem Kamin nieder. Immer häufiger sprachen sie über die alten Zeiten, als sie zu jung waren, um zu wissen, wie jung sie waren; als es ihnen so vorkam, als würde ihnen die ganze Welt offenstehen und Träume könnten wie Blumen gepflückt werden. Das Komischste von allem war, mitanzusehen, wie Tully versuchte, häusliche Pflichten zu übernehmen. Sie ließ Essen anbrennen, schimpfte über das Inselleben, wo es keinen Lieferservice gab, ruinierte Wäsche und musste mehrfach im Gebrauch des Staubsaugers instruiert werden. Kate genoss es vor allem, wenn sie ihre Freundin murren hörte: »Dieser Haushaltsscheiß ist wirklich harte Arbeit. Warum hast du mir das nie gesagt? Kein Wunder, dass du fünfzehn Jahre so müde ausgesehen hast.«
Zu jedem anderen Zeitpunkt wäre dies einer der Höhepunkte in Kates Leben gewesen. Endlich einmal stand sie im Mittelpunkt.
Doch ihr Leben war nun mal kein schmutziges Fenster, das einfach geputzt werden konnte, ganz gleich, wie sehr sie sich auch bemühten, einfach normal weiterzumachen. Alles wurde von der Krankheit überschattet. Und wie immer musste Kate die Truppe bei Stimmung halten, lächeln und Optimismus ausstrahlen. Solange sie stark blieb und sich nicht unterkriegen ließ, ging es allen gut. Dann konnten sie plaudern, lachen und so tun, als wäre alles wie immer.
Es war so anstrengend, ihre Gefühle und Ängste unter Verschluss zu halten, aber ihr blieb keine andere Wahl. Manchmal, wenn ihr die Last zu schwer wurde, erhöhte sie die Dosis ihrer Schmerzmittel, rollte sich mit Johnny auf der Couch zusammen und schlief einfach eine Weile. Wenn sie dann aufwachte, konnte sie schon wieder lächeln.
Sonntagmorgens war es besonders anstrengend. Auch heute waren wieder alle da: die Eltern, Sean und seine Freundin, Tully, Johnny, Marah und die Zwillinge. Abwechselnd erzählten sie ihre Geschichten, so dass es kaum eine Gesprächspause gab.
Kate hörte zu, nickte, lächelte und tat so, als esse sie etwas, obwohl ihr übel war und sie Schmerzen hatte.
Tully war es, die es schließlich bemerkte. Als sie die Quiche weiterreichte, die Kates Mutter gemacht hatte, sah sie Kate an und sagte: »Du siehst echt furchtbar aus.«
Die anderen bestätigten das.
Kate wollte mit einem Scherz darüber hinweggehen, doch ihr Mund war plötzlich wie ausgetrocknet.
Johnny hob sie vom Stuhl und trug sie in ihr Zimmer.
Als sie mit einer weiteren Dosis Schmerzmittel im Bett lag, starrte sie ihren Mann an.
»Wie geht es ihr?«, fragte Tully, die ins Zimmer kam und sich neben Johnny stellte.
Als Kate sie dort Seite an Seite stehen sah, überkam sie plötzlich eine Liebe, die fast schmerzhaft war. Wie immer spürte sie auch einen Anflug von Eifersucht, doch das war ihr mittlerweile so vertraut wie ihr eigener Herzschlag.
»Ich hatte eigentlich gehofft, dass es mir gut genug ginge, um mit euch shoppen zu gehen«, antwortete Kate. »Ich wollte Marah helfen, ein Kleid für den Abschlussball auszusuchen. Das wirst du jetzt übernehmen müssen, Tully.« Sie versuchte zu lächeln. »Aber nichts, was zu viel Haut zeigt, klar? Und achte auf die Schuhe. Marah meint, sie könnte schon hohe
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