Immer für dich da (German Edition)
meiner Dummheit zu verurteilen. Schließlich war ich jung. Meine Kinder sollen wissen, wie stolz ich auf sie bin – und auf mich. Mehr brauchten wir nicht auf dieser Welt als uns – euch, Daddy und mich. Ich hatte alles, was ich mir je gewünscht habe.
Liebe.
Das ist es, was bleibt.
Sie schlug das Tagebuch zu. Es gab nichts mehr zu sagen.
Als Tully vom Supermarkt zurückkam, strahlte sie triumphierend. Sie packte die Tüten aus, machte sich dann eine Dose Bier auf und ging hinaus.
»Supermärkte sind der reinste Dschungel, Kate. Wahrscheinlich bin ich jeden Gang in der falschen Richtung entlanggefahren, keine Ahnung. Jedenfalls hätte man meinen können, ich sei der Staatsfeind Numero eins. Noch nie bin ich so oft unfreundlich angestarrt worden.«
»Mütter haben eben nicht viel Zeit zum Einkaufen.«
»Ich weiß nicht, wie du das alles geschafft hast. Ich bin jeden Morgen schon um zehn Uhr völlig erschöpft.«
Kate lachte. »Setz dich.«
»Wenn ich mich hinlege und mich tot stelle, kriege ich dann einen Keks?«
Kate reichte ihr das Tagebuch. »Zuerst mal kriegst du das.«
Tully holte scharf Luft. Den ganzen Sommer lang hatte sie Kate in dieses Buch schreiben sehen, erst rasch und flüssig und dann immer stockender und langsamer. In den letzten Wochen machte sie alles nur noch langsam.
Tully ließ sich auf die Liege sinken – oder plumpsen – und brachte kein Wort heraus, weil sie plötzlich einen Kloß im Halse hatte. Sie wusste, beim Lesen würde sie weinen müssen. Aber es würde ihr auch Freude bringen. Sie streckte den Arm aus, fasste Kates Hand und öffnete das Tagebuch.
Sofort sprang ihr ein Satz in die Augen.
Als ich Tully Hart zum ersten Mal sah, dachte ich: Wow! Was für ein Busen!
Tully lachte und las weiter. Seite für Seite.
Wir sollen uns heimlich rausschleichen?
Klar. Hol dein Fahrrad. Und später: Ich will deine Augenbrauen nur ein bisschen in Form rasieren. Huch … nein, das ist nicht gut.
Dir fallen die Haare aus … vielleicht sollte ich noch mal die Anweisungen lesen.
Lachend wandte Tully sich zu ihr. Diese Worte, diese Erinnerungen hatten für einen herrlichen Moment lang alles wieder normal erscheinen lassen. »Wie konntest du nur mit mir befreundet sein?«
Kate lächelte. »Wie nicht?«
Wie ein Eindringling fühlte sich Tully, als sie ins Ehebett schlüpfte. Sie wusste, es war die vernünftigste Lösung, dass sie in Kates und Johnnys Schlafzimmer übernachtete, aber an diesem Abend kam es ihr noch unpassender vor als sonst. Das Tagebuch hatte Tully in Erinnerung gerufen, was sie mit Kate verband und was sie jetzt verlieren würde.
Schließlich, irgendwann nach drei Uhr morgens, schlief sie ein. Sie träumte von der Firefly Lane und zwei Mädchen, die nachts mit ihren Rädern den Summer Hill hinunterfuhren. Die Luft roch nach frisch gemähtem Gras und die Sterne funkelten.
Guck mal, Katie, freihändig!
Aber Kate war nicht da. Ihr verwaistes Rad klapperte die Straße hinunter, und die weißen Plastikwimpel flatterten an den Lenkergriffen.
Tully schrak keuchend auf.
Zitternd kletterte sie aus dem Bett und zog ihren Bademantel an. Im Flur ging sie an zahllosen Erinnerungsstücken vorbei, Fotos, die von ihrem gemeinsamen Leben zeugten, und dann an zwei geschlossenen Türen. Dahinter schliefen die Kinder und hatten wahrscheinlich ähnliche Alpträume.
Unten angekommen, machte sie sich einen Tee und ging auf die Terrasse. Erst dort, in der Kühle und Dunkelheit, konnte sie wieder normal atmen.
»Hast du schlecht geträumt?«
Johnnys Stimme erschreckte sie. Er saß in einem der Liegestühle und blickte sie an. In seinen Augen entdeckte sie dieselbe Traurigkeit, die jede einzelne Faser ihres Körpers durchdrungen hatte.
»Hey«, sagte sie und ließ sich auf der Liege neben ihm nieder.
Eine kühle Brise wehte über die Bucht und pfiff unheimlich über das vertraute Rauschen der Wellen hinweg.
»Ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll«, meinte er leise.
»Genau das hat Katie auch zu mir gesagt«, erwiderte Tully, und die Erkenntnis, wie ähnlich sich die beiden waren, schmerzte ebenfalls. »Das ist schon eine echte Lovestory zwischen euch beiden.«
Er wandte sich zu ihr, und im fahlen Mondlicht sah sie, wie fest er die Kiefer zusammenpresste, wie angespannt seine Augenpartie war. Er riss sich zusammen und versuchte, für sie alle stark zu sein.
»Aber mir gegenüber musst du das nicht sein.«
»Was denn?«
»Stark.«
Es war, als
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