Immer für dich da (German Edition)
an. »Warum denn?«
Kate versuchte zu lächeln, doch es gelang ihr nicht. Sie brauchte fast eine Minute, bis sie herausbrachte: »Weil sie das Beste von uns beiden hat.«
Das Ende kam an einem trüben, verregneten Oktoberabend. Die, die sie liebte, umstanden ihr Bett, so dass sie sich von jedem Einzelnen verabschieden und ihm etwas ganz Persönliches ins Ohr flüstern konnte. Dann, als der Regen gegen das Fenster schlug und die Dunkelheit alles einhüllte, schloss sie ihre Augen zum letzten Mal.
Kates letzte Liste galt ihrem eigenen Begräbnis, und Tully befolgte sie Punkt für Punkt. Die katholische Kirche auf Bainbridge Island sollte mit Fotos und Blumen geschmückt und es sollten nur Verwandte und Freunde eingeladen werden. Wie zu erwarten war, hatte Kate Tullys Lieblingsblumen und nicht ihre eigenen ausgesucht.
Tagelang konzentrierte sich Tully auf nichts anderes. Sie kümmerte sich um alle Einzelheiten, während die Ryans und die Mularkeys zusammen am Strand saßen, sich an den Händen hielten und ab und an etwas sagten.
Tully wappnete sich ebenfalls für das Begräbnis und redete sich immer wieder gut zu. Sie war ein Profi, sie konnte alles mit einem Lächeln durchstehen.
Doch als es so weit war und sie wirklich an der Kirche vorfuhren, geriet sie in Panik. »Ich kann das nicht«, sagte sie.
Johnny griff nach ihrer Hand. Sie wartete auf tröstende Worte, doch er fand keine.
Schweigend saßen sie da, mit den Kindern auf dem Rücksitz, und starrten zur Kirche. Da kam der Wagen der Mularkeys angefahren und parkte neben ihnen.
Es war Zeit. Wie ein Schwarm Krähen scharten sie sich umeinander und suchten beieinander Schutz und Trost. Hand in Hand schritten sie an den Trauergästen vorbei die Steintreppe hinauf und betraten die Kirche.
»Wir sind in der vordersten Reihe links«, sagte Mrs M. und schlängelte sich an ihnen vorbei.
Tully sah zu Marah, die leise weinte. Der Anblick brach ihr das Herz.
Am liebsten hätte sie ihre Patentochter getröstet und gesagt, dass alles wieder gut werden würde, doch sie wussten es beide besser. »Sie hat dich sehr geliebt«, sagte sie und erhaschte plötzlich einen Blick aus der Zukunft. Eines Tages würden sie und Marah Freundinnen sein. Wenn die Zeit gekommen war, würde Tully ihr das Tagebuch geben, und dann würden sich beide Geschichten erzählen können, die Kate für kostbare Minuten zurück- und sie einander näherbrächten.
»Kommt«, bat Johnny.
Tully konnte sich nicht rühren. »Geht schon mal vor. Ich bleibe hier noch eine Minute.«
»Bist du sicher?«
»Ja.«
Johnny drückte ihr die Schulter und schob dann seine Kinder nach vorn. Mr und Mrs M., Sean, Georgia und der Rest der Familie folgten ihnen und nahmen in der vordersten Reihe Platz.
Neben dem Altarraum begann eine Orgel, langsam und schleppend »You and Me Against the World« zu spielen.
Tully wollte nicht hier sein. Sie wollte diese pathetische Musik nicht hören, die einen nur zum Weinen brachte. Sie wollte nicht hören, wie der Pfarrer Geschichten über die Frau erzählte, die er gekannt hatte, die aber nur entfernt der Frau ähnelte, die Tully gekannt hatte. Doch vor allem wollte sie nicht die Fotomontage aus Kates Leben sehen, die auf einer Leinwand über dem Sarg gezeigt werden sollte.
Ohne lange zu überlegen, verließ sie die Kirche.
Frische, süße Luft empfing sie. Gierig sog sie sie ein und versuchte, sich zu beruhigen. Durch die geschlossene Tür hörte sie, wie die Musik in »One Sweet Day« überging.
Sie schloss die Augen und lehnte sich an die Tür.
»Miss Hart?«
Erschrocken riss sie die Augen wieder auf und sah, dass der Bestattungsunternehmer auf der untersten Stufe der Treppe vor ihr stand. Sie hatte ihn kennengelernt, als sie die Kleider für Kate und die Bilder für die Fotomontage vorbeigebracht hatte.
»Ja?«
»Mrs Ryan bat mich, Ihnen das zu geben.« Er hielt ihr eine große schwarze Schachtel entgegen.
»Das verstehe ich nicht.«
»Sie hat mir diese Schachtel anvertraut und mich gebeten, sie Ihnen am Tag der Beerdigung zu geben. Sie sagte, Sie würden zu Beginn der Feier vor der Kirche stehen.«
Tully musste lächeln, obwohl ihr alles weh tat. Natürlich hatte Kate es gewusst. »Danke.«
Sie nahm die Schachtel, ging die Treppe hinunter und überquerte den Parkplatz. Dann setzte sie sich auf eine Bank auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Dort holte sie tief Luft und öffnete die Schachtel. Zuoberst lag ein Brief. Sie erkannte Kates kühne, nach links
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