Immer wieder du: Roman (German Edition)
schwelgen. Schlagartig fällt mir ein, wie ich an meinem zweiten Morgen in Australien erwachte und Michael bat, mich zur Arbeit mitzunehmen. Meine Begeisterung für den Job habe ich nie verloren. Ich konnte nur nicht weitermachen, nachdem Ben fort war. Genauso war es mit dem Fotografieren. Meine Gefühle für ihn setzten meine Begeisterung für alles andere außer Kraft. Jetzt, da er wieder in meinem Leben ist, finde ich Gefallen an den Interessen, die ich vor Jahren aufgegeben habe.
Alles spricht für ein Leben mit Ben. Aber bevor ich ihn wiedersehe, muss ich mich mit Richard aussprechen.
Am nächsten Tag gehe ich nach Feierabend nach Hause. Ich rufe nicht an, um Richard vorzuwarnen, sein Wagen steht vor dem Haus. Mir schlägt das Herz bis zum Hals, als ich den Weg zum Haus hinaufgehe, das ich so gerne mag, denn ich weiß, dass ich es wahrscheinlich für immer verlassen werde. Ich schließe die Tür auf, trete in den Flur und stelle fest, dass große Unordnung herrscht.
»Richard?«, rufe ich. Ich stecke den Kopf ins Wohnzimmer, aber er ist nicht an seinem üblichen Platz auf dem Sofa, dann sehe ich ihn draußen auf der Dachterrasse, wo er in den Garten hinunterstarrt. Ich gehe zur Terrassentür und versuche, die Umgebung zu ignorieren – die Umgebung, die ich liebe und zu meiner eigenen gemacht habe. »Richard?«, wiederhole ich noch einmal, jetzt leiser, um ihn nicht zu erschrecken. Damit habe ich keinen Erfolg, denn er fährt herum und sieht mich mit weitaufgerissenen Augen an.
»Du bist wieder da!«
Ich schenke ihm ein trauriges Lächeln, sage aber nichts. Es kommt drauf an, was er unter »wieder da« versteht. Vorsichtig erhebt er sich, aber ich bleibe hinter der Glasschiebetür stehen.
Richard sieht vernachlässigt aus. Er hat sich seit Tagen nicht rasiert, sein Gesicht ist fahl und aufgedunsen.
»Lily?« Er bleibt vor mir auf der Terrasse stehen, die offenen Hände ausgestreckt. Er möchte, dass ich hinaustrete und in seine Arme komme, aber ich kann nicht. Ich will ihn nicht irreführen. Seine Augen füllen sich mit Tränen. »Du verlässt mich.«
»Ja.«
Er verzieht das Gesicht vor Schmerz. »Nein«, stöhnt er.
»Es tut mir leid«, flüstere ich, als er sich an mir vorbeischiebt und aufs Sofa sinkt. Er schlägt die Hände vors Gesicht, dann schaut er plötzlich zu mir auf und erkundigt sich mit knirschenden Zähnen: »Hast du ihn getroffen?«
»Nein.« Ich setze mich in den Sessel. »Ich habe mich an deine Bitte gehalten. Ich habe ihn weder angerufen noch versucht, ihn zu sehen. Ich habe mich von euch beiden ferngehalten. So viel habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht nachgedacht.«
Wie in Trance starrt er vor sich hin. »Was soll ich denn meinen Eltern sagen?«
»Es tut mir so leid.« Dieser Gedanke behagt mir genauso wenig wie ihm. Für Richard wird es schrecklich, und seine Eltern werden enttäuscht von mir sein.
»Kann ich denn nichts sagen oder tun, was dich umstimmt?«
Ich schüttele traurig den Kopf und muss lange warten, bis er wieder spricht.
»Ich glaube, du solltest jetzt gehen.«
Ich nicke. »Ich packe nur ein paar Sachen zusammen.«
Leise stehe ich auf und lasse ihn auf dem Sofa sitzen. Im Schlafzimmer versuche ich, nicht an all das zu denken, was ich verliere, aber es fällt mir schwer. Mein Blick streift das Bild von Richard und mir auf dem Nachttisch. Fürs Erste packe ich nur eine kleine Tasche. Ich muss noch einmal herkommen, um alles mitzunehmen, aber vorerst brauche ich nur ein bisschen Kleidung für die Woche. Ich habe vor, heute Abend wieder zu Mum zu fahren.
Ich möchte Ben anrufen, aber ich weiß, dass das in meinem Zustand keine gute Idee ist. Ich glaube, er sollte mich nicht so sehen. Ich brauche Zeit, um mich zu erholen, bevor ich den neuen Weg einschlage. Das sagt mir mein Kopf. Mein Herz sagt etwas anderes.
»Geh nicht zu ihm!«, fleht er mich an.
»Richard, ich …«
»NEIN!« In einem plötzlichen Wutausbruch schlägt er gegen die Wand, und ich springe erschrocken zurück. »BITTE! Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass du bei ihm bist!«
»Tu dir nicht weh!« Weinend ergreife ich seine Hand. Seine Knöchel sind rot und wund.
»Geh nicht! Ich will nicht, dass du fortgehst«, fleht Richard und legt seine Hand auf meine. »Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch.«
» Warum tust du es dann?«
»Es ist nicht genug. Es würde nie reichen. Ich habe dir nie ganz gehört. Und werde es auch nie tun. Dabei hast du es verdient, jemanden zu haben,
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