Immer wieder du: Roman (German Edition)
gegessen«, nuschele ich vor mich hin.
Ben kommt nicht zum Mittagessen, daher kann ich gar nicht mit ihm sprechen, selbst wenn ich den Mut aufbrächte. Außerdem kommt es mir so vor, als würde er immer mit einem Kollegen arbeiten, egal wo er zu tun hat, und über nichts anderes als seinen bevorstehenden Umzug plaudern. Ich erwische ihn nicht einen Augenblick allein. Es bricht mir das Herz, als ich am Nachmittag, umringt von lächelnden Gesichtern, im Aufenthaltsraum stehe, und alle singen For He’s a Jolly Good Fellow . Ben schneidet seinen Abschiedskuchen an. Mit einem Kopfschütteln lehne ich ein Stück davon ab, und wieder sagt mir jemand, wie krank ich aussehe. Ich habe das Gefühl, als wäre Ben der Einzige, der noch keinen Kommentar zu meiner leblosen Erscheinung abgegeben hat.
Als er sich umdreht und den Aufenthaltsraum verlassen will, strecke ich verzweifelt die Hand aus, um ihn auf mich aufmerksam zu machen, doch in der letzten Sekunde nimmt ihn ein anderer Kollege in Beschlag und schüttelt ihm die Hand. Ich stehe da und warte, aber er entfernt sich in die andere Richtung und verabschiedet sich.
»Komm, Schätzchen«, sagt Michael zu mir. »Wir bringen dich besser nach Hause ins Bett.«
»Ich möchte mich noch von Ben verabschieden.« Ein Kloß steckt mir in der Kehle, und ich gebe mir große Mühe, nicht zu weinen.
»Ben! Wir sind dann weg!«, ruft Michael, als Ben sich umdreht. Er schaut erst mich an, dann Michael und eilt zu uns.
»Bis bald, Junge!« Ben schüttelt Michael warmherzig die Hand.
»Das hoffe ich nicht«, scherzt Michael. »Alles Gute für die Zukunft. Melde dich mal, ja?«
»Klar!«
Ich schaue zu ihm auf und versuche ihn mit aller Willenskraft zu zwingen, mir etwas mit seinem Blick zu vermitteln. Das darf nicht der letzte Moment sein, den ich mit ihm verbringe.
»Tschüss, Lily«, sagt Ben und weicht meinem Blick aus. »Vielen Dank für deine Hilfe bei den Koalas. Pass gut auf Olivia auf.«
Ich nicke, unfähig zu sprechen aus Angst, ich könnte in Tränen ausbrechen.
»Viel Glück, Ben!«, ruft ein anderer Kollege, und Ben geht hinüber zu ihm. Michael schiebt mich zur Tür hinaus, obwohl jede Faser meines Körpers danach schreit zu bleiben.
Am nächsten Tag kann ich nicht zur Arbeit gehen, und niemand wundert sich. Ich liege mit roten Augen im Bett, habe mich in den Schlaf geweint. Erst als meine Mum überlegt, mich zum Arzt zu bringen, tue ich so, als ginge es mir besser. Innerlich aber bin ich am Ende.
Als ich es am Freitag schließlich schaffe, mich zur Arbeit zu schleppen, mit bleichem Gesicht und wahnsinnig vor Liebeskummer, finde ich weder Trost in den Tätigkeiten noch bei den Tieren. Ich ertrage es nicht einmal, Olivia anzusehen, weil sie mich zu sehr an Ben erinnert. Nur noch zwei Wochen, dann fängt die Schule an, und ich dürfte hier an den Wochenenden weiterarbeiten. Aber ich kann mir nicht vorstellen, hier länger zu bleiben, nicht einmal einen Tag. Ich gehe zu Trudy ins Büro und sage ihr, dass ich zwei Wochen brauche, um mich auf die neue Schule vorzubereiten. Sie ist traurig, weil ich aufhören will, stellt aber keine Fragen. Ich weiß, dass sie eine ellenlange Warteliste von Jugendlichen hat, die hier sofort unentgeltlich arbeiten würden. Michael erzähle ich nichts von meinem Entschluss aufzuhören. Ich sage niemandem etwas. Ich habe vor, still zu verschwinden, ohne Aufsehen. Ich könnte es nicht ertragen, dort zu stehen, Kuchen zu essen und mich von den anderen zu verabschieden, wenn der Einzige, der mir je etwas bedeutet hat, am nächsten Tag ins Ausland zieht.
Ich habe versucht, mir Möglichkeiten auszudenken, wie ich Ben wiedersehen kann, auch wenn ich weiß, dass es keinen Zweck hat. Dave hat ihn überzeugt, sich von mir fernzuhalten und Charlotte zu heiraten. Im Grunde meines Herzens weiß ich, dass ich nichts tun kann, um Bens Meinung zu ändern.
Freitagabend. Seine letzte Nacht. Mum und Michael gehen in der Stadt essen, und Josh lädt mich nach Stirling ein. Ich würde mitgehen, wenn ich die Chance hätte, Ben dabei über den Weg zu laufen, aber ich weiß, dass es unwahrscheinlich ist. Ich sage Josh, dass es mir immer noch schlecht geht, und setze mich draußen auf die Veranda. Ich schaue empor zum Mount Lofty, der Himmel wird dunkler, Tränen rinnen lautlos über meine Wangen.
Ich liebe ihn. Und wie. Mit Ben an meiner Seite würde ich mich nie einsam fühlen. Nie unglücklich oder in Gefahr. Er würde mich beschützen. Er glaubt an mich. Ich
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