Immer wieder du: Roman (German Edition)
kann, und der Wind weht die blonden Haare des Kleinen nach hinten, woraufhin er laut zu lachen anfängt. Molly ist nirgends zu sehen. Wie ich sie kenne, ist sie drinnen. Sie kann es nicht leiden, wenn ihr Haar auf der Fähre durcheinandergerät, und ihre perfekt sitzende Frisur ist heute besonders wichtig, da Molly Brautjungfer ist.
»Vergiss es«, sagt Richard.
Voller Bedauern wende ich mich ihm wieder zu. »Tut mir wirklich leid. Natürlich will ich dich heiraten.«
Seine Augen beginnen zu leuchten. »Wirklich?«
»Klar.«
Er nimmt mein Gesicht in die Hände und drückt mir einen langen Kuss auf die Lippen. Kichernd reiße ich mich los. »Aber hör zu, lass es uns noch niemandem verraten. Der heutige Tag gehört Nathan und Lucy.«
»Okay.«
Richard strahlt, und ich bin froh, dass ich ihn glücklich gemacht habe.
Ich habe gerade einer Hochzeit zugestimmt! Was zum Teufel denke ich mir dabei? Mein Herz beginnt wild zu schlagen, und mir wird schwindelig. Warum habe ich das gemacht? Warum nur?
Richard legt einen Arm um mich und zieht mich näher an sich heran. Mir ist, als würde ich ersticken. Ich wedele mit der Hand vor meinem Gesicht.
»Ist alles in Ordnung mit dir?«, fragt er besorgt.
»Bin nur ein bisschen schwach. Hab nicht genug gefrühstückt.«
»Gleich beim Empfang gibt’s was zu essen«, sagt er. »Oder soll ich dir schon schnell was holen?« Er klopft seine Taschen ab, als rechne er damit, dass wie durch ein Wunder eine Packung Kekse auftaucht.
»Nein, nein, schon gut.« Ich bringe ein mattes Lächeln zustande. »Vielleicht sollte ich mich an die Reling stellen und ein bisschen frische Luft schnappen.«
»Okay.« Er steht auf, um mich zu begleiten. Ich würde lieber alleine gehen. Gerade jetzt möchte ich allein sein, aber ich will seine Gefühle nicht verletzen. Richard geht voraus, und wir gesellen uns zu Sam.
»Alles klar, Junge?«, fragt Richard. »Mikey sieht aus, als hätte er seinen Spaß.«
»Er ist gerne auf dem Wasser«, stöhnt Sam. »Die ganze Zeit spricht er von nichts anderem. ›Schiff fahren! Schiff fahren!‹ Was anderes kriege ich nicht zu hören.«
Er will es mit einem Lachen abtun, aber in Sams Augen steht Angst. Mikey wurde nach Sams Vater benannt. Sams Eltern sind vor Jahren bei einem Schiffsunglück ums Leben gekommen, und ich kann mir vorstellen, dass er Angst hat, seinem Sohn könne dasselbe zustoßen.
Als wir uns dem Opernhaus von Sydney nähern, beuge ich mich weit über die Reling. Heute ist es recht windig, auf dem Wasser tummeln sich Segelboote in allen Farben. Rechts von mir plaudern Sam und Richard weiter.
Bist du glücklich, Ben?
Zwei Jahre habe ich auf ihn gewartet. Als er ging, glich ich einem Zombie. Ich weiß nicht, wie ich die Schule überstanden habe. Wäre Shanes Schwester Tammy nicht gewesen, wäre ich eingegangen wie eine Primel. Sie hat mich aufgerichtet. Stellte mich anderen vor. Ich fand neue Freunde. Lebte mich ein. Allmählich fing ich an, wieder Spaß zu haben.
Aber ich konnte Ben nie vergessen. Ich bin nie über ihn hinweggekommen. An dem Tag, als er heiratete, hatte ich das Gefühl, dass mein Leben zu Ende war. Und ein Jahr später, als Michael mir erzählte, dass Ben und Charlotte sich ein Kind wünschten, brachte ich genügend Willensstärke auf, um nicht weiter nachzufragen.
Mein achtzehnter Geburtstag kam und ging vorüber. Aber ich hatte keine Pläne mehr, nach England zurückzukehren. Das hatte Ben mir zunichtegemacht. Ich wollte nie wieder zurück.
Das Traurige war, dass Michael meiner Mum einen Heiratsantrag machte. Ich weiß, das klingt nicht gerade logisch, schließlich ist Heiraten nicht traurig. Der Antrag hätte ein freudiges Ereignis werden sollen, aber er war der Todesstoß für ihre Beziehung. Armer Michael. Er hätte es besser wissen sollen. Ich rede mir immer noch ein, dass er glimpflich davongekommen ist. Jedenfalls beschloss Mum, lieber die Männer in Sydney auszutesten. Ich hätte nicht mit ihr gehen müssen, aber ich hatte das Gefühl, dass mir ein Neuanfang guttun würde. Adelaide tat noch immer zu weh. Selbst nach so viel Zeit, tat das alles zu weh: über den Naturschutzpark sprechen, zum Mount Lofty hochschauen, in die Stadt oder an den Strand gehen und – am schlimmsten – ein Treffen mit Freunden am Lilienteich. Und dieser Schmerz schien nicht nachzulassen. Kein Mann hätte mich darüber hinwegtrösten können. Gelegentlich wollte sich einer mit mir treffen, aber ich lehnte immer ab. Ich dachte,
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